AYCE Fish HH 4-6

2_1_AYCEVoll im Trend: Abkürzungen, wohin man schaut. Seit Twittern und Simsen zur Nummer-eins-Verständigungsform geworden ist, wird unsere Kommunikation noch knapper als sie ohnehin schon ist. Wenn dann aber windschiefe Klebebuchstaben und unverständliche Abkürzungen eine unheilvolle Allianz eingehen, bleibt nicht selten der Inhalt ebenso auf der Strecke wie der Nachrichtenleser im Dunkeln.

Ich gebe es zu: Selbst bekennender Briefschreiber und Liebhaber edlen, mit Tinte beschriebenen Papiers, habe auch ich mich schon in Kurzform per “thx” [thanks | danke] bei jemandem bedankt oder unter eine sms “cya” [see ya (also eigentlich you) | wir sehen uns/bis bald] gekürzelt. Allerdings behalte ich mir das wirklich für Ausnahmen und sms vor. Briefeschreiben und reitende Boten sind – zumindest im geschäftlichen Austausch – weder zeitgemäß noch alltagstauglich und die heutigen Kommunikationswege unumstritten genial und unschlagbar schnell.

Und so ganz neu ist das Abkürzen ja auch wieder nicht: selbst ich durfte in meiner Vergangenheit noch das gute, alte Telex erleben – jene brutal lauten Geräte, die in handylos-grauer Vorzeit Nachrichten in alle Welt ratterten und so schöne Kürzel wie MOMBI [Moment bitte], DKE [danke] oder FYI [for your information] für uns bereithielten.

Unschlagbar allerdings sind dann auch die Stilblüten, die dieses Rumgekürzel treiben kann. Noch dazu, wenn die Hieroglyphen einem nicht nur aufs Handy rauschen, sondern uns in freier Wildbahn – etwa am amerikanischen Straßenrand – auflauern. Da braucht es dann bisweilen schon eine Meile oder zwei, bis man den Warnhinweis der hiesigen Polizei DNT TXT N DRV dechiffriert hat. Eigentlich gut gemeint und extrem jugendsprachlich orientiert bittet die Polizei, man solle eben nicht simsen und fahren gleichzeitig [don’t text and drive] – aber löst man damit nicht genau das aus, was man eigentlich verhindern will? Ablenkung durch Dechiffrieren unkenntlich zerkürzelter Mitteilungen?

2_3_PED XING 2_4_PED XING_2

Na, wenn man da mal nicht den nächsten PED XING verpasst [pedestrian crossing | Fussgängerüberweg]! In großen weißen Lettern schrillen die keineswegs chinesischen Abkürzungen vom Asphalt. (Allerdings macht Abkürzen hier ja nun wirklich mal Sinn: wollte man die ganze Epistel ausgeschrieben aufs Pflaster pinseln, müsste man schon in der vorigen Ortschaft anfangen und sich die Buchstaben dann im Selbstversuch zusammenbasteln.) Für Touris und alle anderen, die’s nicht gleich verstehen, steht übrigens ein simples, grellgelbes Pictogramm am Überweg – das hätte eigentlich gleich gereicht.

Merke: Wenn der Text versagt, erleuchten bekanntlich Bilder.

Überhaupt neigt der Amerikaner ein wenig zur Vielschreiberei an seinen Straßen: Wo uns pictogramm-affinen Deutschen kleine Bildchen ausreichen, braucht es hier schon öfter konkret-schriftliche Aufforderungen: Auf übergroßen Tafeln etwa, die in blinkender und obendrein viel zu schnell wechselnder Abfolge verwirrte, durchgekürzelte Umleitungsempfehlungen geben. Bis man die decodiert hat, steht man schon mittendrin im Stau.

2_5_bike_lane_signsSchön sind auch Fahrradwege, bei denen ein putziges Fahrrad erklärungshinlänglich abgebildet wird (und zwar sowohl auf kleinen Blechschildern als auch als Pinselbildchen auf dem Asphalt), was dann aber unnötigerweise durch den Hinweis BIKE LANE ergänzt wird. Ob wegen akuter Verwechslungsgefahr mit Pferdefuhrwerken oder Schneepflügen oder für den Fall, dass mal jemand daherkommt, der noch nie ein Fahrrad gesehen hat, bleibt allerdings unklar.

Beim Tempolimit schreibt man sicherheitshalber nochmal SPEED LIMIT dazu, damit auch ja keiner auf falsche Ideen kommt, und wo uns daheim ein schlichter, gebogener Pfeil nach links ebenso wortlos wie eindeutig klar macht, dass wir auf die linke Fahrspur hinüberwechseln sollen, wird hier neben zahlreichen Pfeilen auch noch ein mehrfach dringliches MERGE (also: Einfädeln) auf den Asphalt gepinselt – ohne Abkürzungen – immerhin. Und das so lange, bis dann auch der Letzte gemerkt hat, dass es hier nicht weitergeht. Für’s Überholverbot hat das deutsche Verkehrsministerium ein schlichtes Schild mit zwei niedlichen Autos in Rot und Schwarz im Repertoire – hier in Amerika liest man “DON’T PASS” oder “NO PASSING ZONE” oder gar “DON’T PASS ON RIGHT“. Letzteres versteht man wiederum nur, wenn man schon erleben durfte, dass hier auf mehrspurigen Straßen gern, dynamisch und zumeist hochgeschwindig rechts überholt wird. Also alle Rückspiegel beachten, nebenbei fleißig Schilder lesen und die richtige Adresse nicht verpassen… Herausforderung Alltag. Und das alles natürlich 24/7 [also 24 Stunden lang, 7 Tage die Woche]. Na ja.

2_2_HHDen Abkürzungswahn gibt’s auch im Kneipenalphabet. Wer hier beim Lesen eines HH 4-6 kurzfristig grübelt, gegen wen denn welcher Hamburger Fussballclub 4 zu 6 verloren haben könnte (und vor allem, wen das hier interessiert), der kann sich entspannen. Happy Hour ist gemeint, von 16 bis 18 Uhr. Das alles hat man relativ schnell drauf. Aber ganz ehrlich? AYCE FISH hat mich doch etwas beschäftigt. Nennen Sie mich kleinlich, aber wenn ich schon Neues probiere, weiß ich doch gern etwas genauer, wen ich da vor mir auf dem Teller liegen habe. AYCE, nie gehört… Vielleicht eine regionale Spezialität? – Na, zum Glück traf mich der Geistesblitz noch rechtzeitig bevor ich mich beim Kellner dummgeoutet hatte: All you can eat. Isjaklar. Da denke ich gleich mal: OMG WTF! [oh, my God – what the F*** | Was zum Henker… natürlich in der entschärften Übersetzung J].

Spontan fällt mir wieder meine etwas sauertöpfische alte Tante ein (Gott hab sie inzwischen selig), die an dieser Stelle gesagt hätte: “Kinder-mir-fehlen-die-Worte-wirklich-mir-fehlen-die-Worte-sie-fehlen-mir!” Ein kleiner Tipp für alle mitlesenden Hobby-Phonetiker und Gleich-mal-Ausprobierer: Die wahre Tiefe dieser Aussage entfaltet sich ausschließlich in der Mehrfachschleife, begleitet von resigniert-erschüttertem Kopfschütteln, in dem alles mitschwingt von “Diese Jugend heute!” bis “Wo soll das bloß noch alles hinführen?!”. Anschließend ein gehauchtes “tztztz!” als UPGRD [upgrade | hier sinngemäß: Tüpfelchen auf dem i]. Einfach ein paar Mal vorm Spiegel üben und beim nächsten Familientreffen anwenden: so bleibt man garantiert auch ohne Abkürzungen in Erinnerung!

Von mir nun ein kopfschüttelndes “Kinder-mir-fehlen-VOKALE-wirklich-mir-fehlen-VOKALE-sie-fehlen-mir!” und in diesem Sinne IYKWIMAITYD [if you know what I mean and I think you do*]: GD BYE FM USA, CYA     * Wörterbucheintrag aus http://www.woerterbuch.info/deutsch-englisch/uebersetzung/iykwimaityd.php