Echte Kerle – Sportskanonen im US-Alltag

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Sport hat hier in den USA ja bekanntermaßen einen weit höheren Stellenwert im Alltagsleben als etwa bei uns Europäern. Jeder (wirklich jeder!) kann hier irgendetwas zum Sportgeschehen beitragen – Football, Baseball, Basketball, Golf… alles Spiel- und Bewegungsformen, denen man sich hier schon im Kindesalter quasi verfassungsmäßig verschreibt. Nur so ist es auch zu erklären, dass schon Kleinkinder die teils arg komplizierten Regeln verstehen, während ich noch nach Jahren staunend an den verschiedenen Seitenlinien grüble…

Über die Liebe der Amerikaner zu ihren Ballspielen durfte ich ja schon in der Vergangenheit ausführlich berichten, und die schier grenzenlose Begeisterung, die diese Sportarten bei den Zuschauern auslöst, lässt mich noch immer überwältigt zurück.

Für manch einen Jack oder John ist eine sportscholarship dann auch der einzige Weg, überhaupt auf’s College zu kommen, wenn nämlich unser junger Held zwar Schultern in der Breite eines mittleren Lasters aber leider nicht ganz so viel Platz im Kopf hat für – sagen wir: Mathe, Bio oder so unsinniges Zeug wie Geschichte, Physik oder gar die Muttersprache Englisch. (Eine gute Ausdrucksweise in der eigenen Sprache wird auch hier zu Recht völlig überbewertet!) Der Ärmste würde sich doch glatt direkt nach der Highschool einen furznormalen Job suchen müssen – und das wäre ja nun wirklich der erste massive Knick in little Joe’s Lebenskarriere. Also ab mit ihm auf’s College – der Trainer sucht gerade händeringend nach einem naturbegabten Quarterback.

Auf den Tribünen schreien sich dann Mummy und Daddy pflichtschuldigst die elterlichen Seelen aus dem Hals, während Joe gelangweilt über’s Feld trabt. Als Elternteil mutiert man damit vertragsmäßig zu einer Art Vereinsmaskottchen, läuft von nun an (natürlich!) ständig in den Mannschaftsfarben herum, kennt den Spielplan auswendig und fährt – egal wie weit – gefälligst zu jedem Spiel.

6b_TribüneDa wir gerade auf der Tribüne angekommen sind: Ich sprach ja schon von der wundersamen, offenbar mit der Muttermilch aufgesogenen Regelkenntnis selbst kompliziertester Spielabläufe. Natürlich ist es auch bei unserem europäischen Fussball (hier soccer genannt) durchaus üblich, dass die wahren Experten zuhause vor dem Fernseher oder auf der Tribüne sitzen. Diese knallharten Typen, die irgendwann mal wegen wiederholten Foulspiels aus der Dorfmannschaft geflogen sind, würden dem Schiedsrichterheini doch nur zu gern mal sagen, wie man so richtig pfeift. Pfeifen wissen so was…

Hier im Stadion stehen dann schon die kleinsten fünfjährigen Stöpsel neben Dir auf der Tribüne und machen mal eben in Megaphonlautstärke den Trainer dermaßen zur Monumentalsau, dass mir nur die Hälfte des Vokabulars überhaupt bekannt ist, und ich die andere Hälfte lieber höflich verschweige.

Das hat echten Unterhaltungswert!

Und so geht es mir hier bei fast allen Sportereignissen – es ist gar nicht so sehr das Spiel selbst, die Ergebnisse, wer gewinnt oder wer verliert. Es ist die Show, der Rummel, der Hype drumherum, der mich immer wieder fasziniert und teilweise auch ehrlich erschüttert.

Nun sollte man ja am besten von den Dingen sprechen, von denen man selbst etwas versteht – im Bereich der Sportarten wären das in meinem Fall Volley- oder Handball, die hier strenggenommen nicht wirklich existent sind. Für Basketball bringe ich als shorty by nature (meine stolzen 1,57 cm überragen gerademal die handelsüblichen Tischkanten) nun überhaupt keine Voraussetzungen mit. Also bleibt noch Golf. Und da bin ich in Florida nun garantiert am richtigen Platz: hier gibt es fast an jeder Straßenecke Golfplätze – nicht, dass man diese teils ziemlich abgehalfterten Acker dann auch spielen möchte (ich gehe ja auch nicht in jedes jugoslawische oder sonstwie-Straßenrand-Restaurant an deutschen Bundesstraßen). Aber mit der Zeit weiß man, wo es schön Spielen ist, und da macht’s dann auch richtig Spaß.

Aber Spaß machen kann Golf auch zuhause vorm Fernseher. In Deutschland beginnen die Golfübertragungen ja zumeist zu so menschenfreundlichen Sendezeiten wie 22.30 Uhr, wenn (nicht nur) ich nur noch bedingt fähig bin, laut gähnend und bereits im Schlafanzug dem Geschehen zu folgen. Hier spielt man ja ohne Zeitverschiebung – also kann ich, wenn mir danach ist, schon am helllichten Tag meine ganz persönlichen Sporthelden auf der Mattscheibe verfolgen. Und das lohnt sich für Anhänger dieses Sports durchaus (und ist auch nicht so laut, wie im Footballstadion).

Nun haben wir Deutschen ja im Golfsport schon durchaus gute Spieler hervorgebracht – man erinnere sich an Bernhard Langer, der etliche Siege davongetragen hat und über Jahrzehnte unser erfolgreichster Spieler war. Heute mischt er noch immer höchst erfolgreich in der Seniorentour unter den besten Spielern der Welt mit. Und ganz aktuell war ja eine junger Deutscher über mehrere Wochen sogar die Nr.1 der Welt – charming Martin Kaymer, der nicht aufhört, neben vielen Herzen auch noch fortwährend Turniersiege zu erobern.

Aber auch von den hinteren Rängen kann man es zu unrühmlicher Popularität bringen – was man natürlich als Zuschauer nur mitbekommt, wenn man wirklich tagsüber vor der Glotze hockt. So fand es Alex Cejka – derzeit Nr.166 der Weltrangliste und (nicht nur in spielerischer Hinsicht) Lichtjahre von der Nr.1 entfernt – an der Zeit, sich wieder einmal gewohnt plumpgemütig über einen schlechten Schlag aufzuregen. (Für alle Nicht-Golfer sei an dieser Stelle erwähnt: Profispieler machen pro Golfrunde zwischen 65 und 80 Schlägen und das an vier Tagen hintereinander, liegen also gesamt bei 260+++ Schlägen pro Turnier.) Da lohnt sich das Aufregen über einen einzigen Schlag ja so richtig. Schon mathematisch gesehen.

Nun, Cejka also wollte seiner ganzen brachialen Wut buchstäblich „mit einem Schlag“ Luft machen, holte aus und hackte sich in maximalem Kontrollverlust den eisernen Schlägerkopf (statt in den Boden) zack! in seinen eigenen Golfschuh. Nicht nur dieser gab daraufhin wohl ebenso erschrocken wie verletzt auf – nein: auch seinen Fuß ruinierte sich der Mann in seiner Wutattacke höchstselbst.

Irgendjemand sollte dem Clown mal sagen, dass man sich nach einem schlechten Schlag einfach auf den nächsten konzentrieren und diesen dann tunlichst besser machen sollte. Von Selbstverstümmelung während des Turniers hält auch der beste Sponsor nicht viel, glaube ich. Aber so unterscheiden sich halt echte Kerle von wahren Lichtgestalten…

Also: Wenn Sie wissen wollen, wie man sich gar nicht erst für so ein hochrangiges Turnier qualifiziert – dann rufen Sie mich gerne an. Wollen Sie aber wissen, wie man sich nachhaltig aus einem Turnier rausrüpelt, dann wenden Sie sich bitte an Herrn Cejka – Sie erreichen ihn dieses Wochenende mit Sicherheit zuhause.

© 2011 kb

PS.: soeben lese ich auf der offiziellen Homepage des Herrn Cejka, dass er das Turnier wegen einer „wieder aufgebrochenen Verletzung“ abbrechen musste… nunja, alles andere wäre auch wirklich zu peinlich.