Willkommen im Schilderwald – Wer kein Schild aufstellt, ist nicht dabei

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Daran, dass amerikanische Straßen beidseitig von XXL-Plakaten (sogenannten Billboards) flankiert werden, gewöhnt sich das ausländische Auge relativ schnell. An die Texte der unterschiedlichsten Werbebotschaften dafür weniger… Hier wird schlichtweg ALLES beworben, ganz gleich ob Disney, Pizzaservice, Surfshop oder Rechtsanwalt: alles hängt übergroß in der Landschaft rum und versperrt den Blick auf Amerika.

In diesem optischen Kampfgebiet ist jedes Schild noch größer, noch schriller, noch bunter und am liebsten irgendwie animiert – zappelnde Comicfiguren, Blinklichter, rotierende Lampen… alles was geht, gibt’s! Und alle haben Angst, dass man sie übersieht – was man dann in der Vielfalt auch wieder gerne tut. Das nennt man, glaube ich, ein waschechtes Perpetuum mobile.

Hier schreckt niemand vor Werbung zurück – auch die Kirchen nicht. Wenn wir uns in Deutschland mit zierlichen Schaukästen vor dem Gotteshaus begnügen, in denen fein säuberlich die nächsten kirchlichen Termine aufgelistet sind, bescheiden ergänzt durch den Bibelspruch der Woche und die Öffnungszeiten des Pastorats, haben die Kirchen hier LED-Laufbänder in allen gottgegebenen Farben, Formen und Größen im Vorgarten stehen, damit auch ja niemand übersieht, dass dies ein Gotteshaus ist. Das könnte auch leicht passieren, denn gegen die Werbung der mexikanischen Tacobude nebenan muss man schließlich erstmal ankommen.

Nun ist der programmierbare Text auf derlei Laufbändern naturgegeben kurz, die „Message“ soll ja auch bestenfalls mit einem Blick wahrgenommen werden können, bevor man dem voranfahrenden Auto an der Ampel hintendraufknallt, weil man noch mit Lesen beschäftigt ist. Kurz und gut also ist die Devise, die Reihenfolge ist aber auch nicht unwichtig, wie dieses Beispiel zeigt:

Methodistenkirche in der Wallachei – es gibt eine Kreuzung und genau da glüht die kirchliche LED tiefrot durch die Nacht. JESUS COMES! steht da. Nächste Zeile: THURSDAY 4 P.M. – dann: FREE COFFEE AND MEALS – dann: 72° F REV. THOMAS KENT – Danach: die aktuelle Uhrzeit.
Okay – Jesus kommt also Donnerstag um 16 Uhr. Persönlich. Gut zu wissen: er arbeitet auch wochentags. Kaffee und Essen gibt’s umsonst und der Pastor hat 72 Grad…
Na ja, wenigstens die Uhrzeit hab ich wohl richtig verstanden.

Kurz erwähnt sei noch, dass ja bekanntermaßen auch die Standortwahl entscheidend sein kann.
Location. Location. Location. ist die Zauberformel.
Unglaublich beliebt sind hier kleine ebenerdige Ladenzeilen, ca. zehn Geschäfte in einer Reihe, die dann über jeder Tür ein Werbeschild hängen haben, an der Einfahrt zum Gelände eines und natürlich auch an der Ausfahrt (damit man auch weiß, wo man grad war?!). Das ist dann schon allein ein Schilderwald für sich, wobei diese Betrachtung außer Acht lässt, dass bereits gefühlte drei Meilen vorher jeder der Shops noch mindestens ein Werbeschild in den Straßenrand gepflanzt hat.
Kirchengebäude kuscheln sich mit sonderbarer Beliebtheit an vielbefahrene Highways – man stelle sich da einen Gottesdienst während der Rushhour vor, bei der das Weihwasser munter im LKW-Mini-Erdbeben hin- und herschwappt und sich beim Ansingen gegen den Straßenlärm jedem Teilnehmer eine weitere „göttliche“ Herausforderung bietet.
Glorie Hallelujah in Sankt Autobahn!

Wer dabei dann für seinen Geschmack nicht genug Gehör bekommen hat, kann ja in ein Geschäft mit der Aufschrift UNLIMITED TALKING gehen – in meiner munteren Phantasie stelle ich mir natürlich sofort eine Art Selbsthilfegruppe für Dauerquassler vor – aber ich glaube, es geht dabei um Telefonie… egal.
Schön missverständlich sind dann auch die HOT PRESSED CUBANS an der Tanke nebenan. Nun hatten die Amerikaner ja schon immer ein sonderbares Verhältnis zu ihren zigarrendrehenden Nachbarn, aber hier geht es statt um vermeintliche Alltagsfoltermethoden ganz profan und ausländer-un-feindlich um heiße cuban sandwiches (also Käse und Schinken)… muss man ja nur wissen.
Ein weiteres Politikum lässt sich im gleichen Stil bequem in COIN WASH und COIN LAUNDRY -Betriebe hineingeheimnissen; da Geldwäsche jedoch auch in den USA verboten ist, dürfte diese allerdings wohl eher im unbeschilderten Verborgenen betrieben werden.

Gestern las ich dann DOG WASH gleich neben CAR WASH. Hier wäscht man also auch den häuslichen Flohhüter nicht selbst, sondern lässt ihn auswärts reinigen… naja. Ob die wohl auch einen Drive Through haben?

People ARE crazy!

kb.