Laufsteg Amerika – Happy Easter! Vom Sehen und Gesehenwerden

Man sollte meinen, Amerika sei schon bunt genug. Aber jedes Jahr zu Ostern legt dieses lustige Völkchen in Sachen Farbigkeit immer noch einmal nach: In schier unerforschlicher Mutwilligkeit werden all die wahlweise bonbon- oder knallfarbenen Klamotten aus der Schrankdüsternis ans Licht gezerrt, die mit nichts auf der Welt zu kombinieren wären. Werden sie dann aber. Mutwillig. Abenteuerlustig. happy-easterly. Scheusslich. Da hilft dann auch ein immer (selbst in Sport- oder Freizeitklamotten) gut aussehender Präsident nix.

Wussten Sie, dass es lila-grasgrün-gestreifte Polohemden mit einem hellblauen Kragen gibt? Und wussten Sie weiter, dass man dieses vor der Iris flimmernde Farberlebnis noch durch ein blassfliederfarbenes Jackett toppen kann? Derart gestylt fällt man zwar in einem üppigen Osternest voller bunter Eier und Hasen kaum auf, in einem deutschen Lokal würde man dagegen vermutlich den Preis für den mutigsten Besucher verliehen bekommen. Oder Lokalverbot. Geht auch. In Amerika dagegen: kein Problem. Es guckt noch nicht mal jemand (außer mir natürlich)! Eigentlich ja schon wieder schade, wo man(n) sich doch so viel Mühe bei der Kombi gegeben hat…
Doch: NACH Ostern ist ja bekanntlich VOR Ostern, und so kombiniert man sich halt einfach munter weiter durchs amerikanische Jahr.

Nichts auf der Welt ist bekanntlich so wandelbar wie die Mode, und wer ständig mit ihr gehen will, muss sich ganz schön anstrengen, Schritt zu halten. Der „letzte Schrei“ ist eben schon allzu bald nur noch der vorletzte und was eben noch im Trend lag, ist im Nu „out“, „uncool“ oder gar „old-fashioned“. Zu letzterer Gruppe möchte nun wirklich niemand zählen – jedenfalls niemand, der sich fernab von wadenlangen Tweedröcken, gestärkten Rüschenblusen und Brillen an goldenen Ketten aufhält.

Grundsätzlich ist hier in Amerika alles erlaubt, was gefällt. Das ist schön, aber wiederum nicht gleichbedeutend mit dem, was auch gut aussieht… Figurmässig gibt es hier zumeist übergewichtige Menschen oder magersüchtige Girliefrauen – das „Mittelding“ ist deutlich in der Unterzahl. Man fragt sich dann nur, warum ausgerechnet die erste Kategorie sich fast ausnahmslos in Leggins zwängt und die letztere wie eine Klonkolonie daherkommt: stets dieselbe Frisur, dieselbe übergroße Sonnenbrille, dieselben makellos geweißten Zähne, sogar das Lachen ist identisch. Individualität ist das auch nicht wirklich im Land der unbegrenzten Möglichkeiten…!

Nun wissen ja gerade wir Europäer, die wir die internationalen Laufstege der Modemacher beherbergen, dass die dort präsentierte Mode in den meisten Fällen ebenso untragbar wie unbezahlbar ist und dass nur ein magerer Abklatsch dieser immer neuesten Designerkreationen überhaupt in den Boutiquen und Modelädchen dieser Welt landet. Was sich jedoch heute so alles „Designermode“ nennt, ist schier unerforschlich! Für alle Überlebenden der 1970er Jahre wird es für immer ein Mysterium bleiben, warum all die wilden psychedelischen Muster, denen wir ohne größeren seelischen Schaden entkommen zu sein glaubten, plötzlich alle wieder auf den Straßen auftauchen, und dabei sind selbstgebatikte T-Shirts noch die Fun-Variante. Wenn dann aber wieder die unermessliche Kreativität der einzelnen mutwillig all diese Muster und Farben miteinander kombiniert, kommt so manche Hiesige als fleischgewordene Bildstörung auf ihren höchst angesagten Plateausohlen durch die Landschaft gewandert, so dass man für einen Moment versucht ist, nach der Fernbedienung zu greifen, um den Sender zu wechseln. Halloween-Dauerwerbung at it’s best. Ganzjährig.

Apropos: Plateausohlen. Für diejenigen unter uns, die eher kurzbeinig und damit erdnah angesiedelt sind, bringt jeder higher heel wertvolle Zentimeter – das verstehe ich sofort. Sollte man dann nicht aber auch auf den Dingern laufen können, die für mein Empfinden nützlicherweise mit einem Geländer versehen werden sollten? Es gibt doch kaum etwas Peinlicheres als eine dieser Behelfsbarbies, die verzweifelt versucht, auf dem Weg zum Klo nicht über ihre eigenen Designerhacken zu stolpern, während sie ihr gequältes Klongrinsen in die (übrigens nur an ihrem Sturz interessierte) Welt entsendet.

Ich persönlich bin während meiner Aufenthalte hier zum „Flipflop-Träger ehrenhalber“ ernannt worden. Unglaublich bequem, passt zu allem und die paar Zentimeter weniger machen dann den Urlaubskohl auch nicht fett. Diese kleinen, oft belächelten Klappertreter sind wirklich die Allräder im weiblichen Kleiderschrank. Ich liebe das!
Für Männer sind die Strandlatschen mittlerweile auch weitgehend salonfähig – wobei…. naja: Die Kombination mit Anzughose und -hemd will mich noch immer nicht recht überzeugen.

Für internationales Gleichgewicht sorgen da meine deutschen Mitreisenden männlichen Geschlechts, die stolz in heimatgewohnt umbra-braunen Socken und farblich passenden Sandalen auftreten und sich damit schon von weither eindeutig zu erkennen geben. Damit bestätigt sich dann im Handumdrehen das Bild, das die sich weltoffen und vorurteilsfrei gebende amerikanische Nation ohnedies von uns German Lederhosen hat.
Lebende Klischees sind eben doch die besten!

kb.