Rough Times #9 – Der gelbe Heinz

Er heißt Heinz, sagt er und grinst bis zu den abstehenden Ohren. Eigentlich Heinz Waldemar, und ich könne mir aussuchen, ob ich ihn mit Heinz oder Waldemar anspräche. Ihm sei’s egal, er höre ohnehin nicht mehr so gut und würde vermutlich weder das eine noch das andere mitbekommen. Aha. Heute also Golf mit Heinz Waldemar. Es ist Sonntagmorgen, noch liegt allerletzter Tau auf den Fairways und die Sonne streift sanft durchs lichte Blätterwerk. Ein Reiher sitzt an der ersten Tee-Box und beäugt uns argwöhnisch, als wir mit unserem klappernden Golfhausrat anrücken.

Ach ja, setzt mein fröhlicher Mitspieler nach, und gucken könne er jetzt auch nicht mehr so gut. Ich möge doch bitte schauen, wo seine Bälle sich auf dem Platz verteilten. Er hätte da so seine Schwierigkeiten. Aha. Na dann mal los.

Driver. Titlist 2. Heinz drischt mit tief verinnerlichtem Hockeyschwung das Holztee in den Boden und die Kugel schubst nach vorn zum Ladies Tee. Heinz Waldemar zeigt sich humoristisch, gackert wie ein fröhliches Freilandhuhn, macht eine wegwerfende Handbewegung und sagt, den ersten zähle er sowieso nie mit. Aha. Na gut.

Der Reiher macht sich vorsichtshalber aus dem Staub des frühmorgendlichen Geschehens, und ich überlege, ob ich nicht auch noch schnell irgendeinen Grund finden könnte… Pfump! Heinz Waldermar donnert tatsächlich einen Abschlag der Meisterklasse in den Morgennebel bis ins Jenseits jeder Sichtbarkeit. Dann brüllt er ihm ein frisch aus der Lunge gepresstes Jaaaaa! hinterher, dass es auch die übrige Vogelwelt aus den Nestern fegt. So geht pure Freude am Spiel. Heureka!

Heinz Waldemar erweist sich als leidensfähiger, frohgemuter Gesell, mit dem ich zwar mit jeder Bahn länger im Unterholz nach seinen Titlists unterschiedlichster Nummerierungen forsche, den ich außerdem bisweilen höchst etikettefremd anbrüllen muss und der mir auch gern über meine Puttlinien latscht. Dennoch ist dies eine der amüsantesten Frühtaurunden, die ich je erleben durfte. Das mag auch an meinem Kopfkino liegen, denn eigentlich ist mein Flightpartner der gespielte Golfcartoon-Klassiker: Er steckt mit seinen geschätzten 90 Kilo Lebendgewicht und bedauernswert kurzen Beinen in einer zwar farblich abgestimmten, aber unglücklicherweise kanariengelben Montur mit schwarzen Strümpfen bis zu den behaarten Kniescheiben. Auf ramponierten Alt-Adidas-Tretern stapft er über den Platz, hört nix, sieht wenig und ist so ganz in seiner eigenen kleinen Welt gefangen. Mitspieler? Ach so, ja, da war ja noch wer…

Ich kann mich nicht entscheiden: mag ich ihn nun eigentlich oder geht er mir auf die Nerven? Irgendwann an Loch 4 merke ich, dass irgendwie beides geht. Genauso wie seine zwei Vornamen. Er nennt mich schließlich auch hartnäckig Gerda, und die spielt heute sogar eher gut (also ab der 4, als der erwähnte Groschen fällt).

Manchmal muss man wohl einfach nur loslassen – sich selbst, das Spiel, den Ehrgeiz, die Gedanken – und den anderen sein lassen, wie er nun mal ist. Auch, wenn er ein Kanarienvogel ist, und die spielen öfter Golf als Sie denken.

 

© Karin Buchholz 2016