Rough Times #8 – Sometimes no Golf is better Golf

Da ist er wieder: so ein Bilderbuch-Tag, an dem der Ruf der Wildnis – will sagen: des formschön in die Natur ondulierten Golfplatzes – lauter wird als alles andere.

Away, away! Young fellows, go play!

Aber nun ist es ja mit den Rufen, die uns im Laufe unseres Lebens so ereilen, so eine Sache: die einen kommen zur rechten, die anderen zu unrechten Zeit; die einen locken, die anderen schrecken eher; den einen folgt man freudig und wird enttäuscht – den anderen folgt man notgedrungen und wird überrascht. Das Leben ist halt eine Wundertüte – auch auf dem Golfplatz!

Meine Wundertüte befindet sich im Süden Afrikas, unter einer Sonne, die sich in den letzten fünf Tagen beharrlich in trübgraues Schweigen und ebensolche Wolkenberge gehüllt hatte. Nun endlich strahlt sie wieder: also weg mit der Wolldecke und raus auf den Platz!

Ein wohlgepflegter Platz erwartet mich, eine leichte Brise weht vom nahen Ozean herüber, in und um das Clubhaus nur freundliche und hilfsbereite Menschen. Alles nimmt sehr geschmeidig seinen gewohnten organisatorischen Verlauf, und die Mundwinkel sind folglich ganz weit oben, als ich das erste Tee erreiche. Der erste Drive sucht bedauerlich quickgehookt das Weite, der zweite folgt ihm mit einer zischenden Sympathiebekundung und bleibt ebenfalls verschollen. Das geht ja gut los. Als ich die Fahne endlich zurück ins Loch stecke, notiere ich kopfschüttelnd eine 9. Mannmannmann! Loch zwei und drei stimmen mich zum Glück mit Bogey und Doppelbogey schon etwas milder, und die Mundwinkel finden wieder den Weg nach oben. Doch ab Loch vier hole ich dann endgültig zum Desaster aus. Rien ne va plus – nichts geht mehr: kein Drive, kein Fairwayschlag, nicht mal Chips und Pitches, die mir sonst regelmäßig den Kopf retten, wollen heute so wie ich. Den Rest meiner ungeahnt grottenschlechten Runde erspare ich uns – und, ganz ehrlich: über’s Putten möchte ich heute wirklich nicht reden. Zum Glück bin ich inzwischen längst außer Sichtweite des Clubhauses…!

Nun bin ich ja durchaus ein positives Teilchen, das sich so schnell durch nichts erschüttern lässt. In der Regel belustigt mich so ein Inferno eher (und anders kann ich das hier wirklich nicht nennen!), als dass es mich ärgert. Aber heute muss ich gestehen, dass ich langsam echt angefressen bin. Infernalisch schlechtes Spiel. Unterirdisch würde es auch treffen. So eine Runde habe ich seit meinen Anfängen nicht mehr gespielt. Es kann doch wirklich nicht sein, dass ich tagelang fröstelnd auf genau diesen Tag gewartet habe und dann nichts, aber auch gar nichts zustande bringe! Gut, gut: ich bleibe mit meinen Lochergebnissen immerhin im einstelligen Bereich (Striche sind doch auch einstellig, oder?!), aber bereits an Loch 8 bin ich so fest und unbeweglich vor lauter Mentalknirsch, dass natürlich noch weniger geht.

Da begegnet mir ein älteres Pärchen – deutlich hörbar aus Bella Bavaria – die sich gegenseitig über den Platz granteln: „Mei, himmifixsackra! Jetzt isses ober g’nuag!“ Antwort: „Mei, sappradi, da geht ja heit nix z’sammen!“ Schmunzelnd stelle ich fest, ich bin nicht allein – nicht mal auf meinem Planeten „Gurkenspiel“. Welch ein Trost!

Doch bei den beiden Spezln geht’s dann doch deutlich um mehr:

Sie: Annäherung links vor den Riesenbunker.

Er: Annäherung rechts in den Topfbunker.

Sie stapft grantelnd zum Ball, drischt drauf als wär’s der Hau-den-Lukas auf der Kirmes.

Er (ca. Ende 80, rechtwinklig gebeugter Rücken) kraxelt in den Topfbunker, packt den Ball am Schlafittchen und wirft ihn kurzerhand aufs Grün.

Klasse, denke ich bei mir, der macht’s ja mal genau richtig. Schließlich sind wir ja zum Vergnügen hier – danke, dass er mich daran erinnert!

Aber nix: Frau Grantl stratzt jetzt wutentbrannt und wild mit den Armen fuchtelnd übers Grün zu ihm her. Dem vor Schreck erstarrten Männlein im Topfbunker dröhnt sie ein energisches „Naaaanaaaanaaaaa, Franzl! So hab’n mir net g’wett! So net! Naaaanaaaanaaaaa!“ entgegen und feuert ihm den Ball zurück in den Bunker. „So! Jetzat!“ raunzt sie hinterher, stapft aufs Grün und markiert ihren Ball.

Heilige Dreifaltigkeit aus Bunker, Grün und Fahne! Da geht’s ja zu…!

Brav ergeben und einen neuerliche Ausbruch seiner Weggefährtin vermeidend spielt der Franzl seinen Ball – gar nicht mal schlecht – aus dem Bunker und beendet das Loch schließlich unter grummelnden Hintergrundgeräuschen seiner Spielpartnerin mit mir unbekanntem Ergebnis. Auf jeden Fall spielen die beiden weiter – gemeinsam sollte ich hinzufügen, denn das ist für mich wahrlich nicht selbstverständlich – und trollen sich in die Weiten des Platzes. Der Wind trägt hin und wieder ein paar bajuwarische Kraftausdrücke durchs Südafrikanische herüber, aber seit dieser Begegnung sehe ich alles wieder sehr entspannt.

Warum genieße ich nicht einfach diesen Tag – dann eben ohne Golf.

Es gibt diese Tage, da sollte man einfach aufhören. Es geht doch um nix. Warum wurschtle ich mich hier von Unterholz zu Dickicht und lasse mir den Tag verderben. Von mir selbst obendrein! Der Platz ist wunderschön, das Bergpanorama drumherum, die Luft frühlingshaft (während in Deutschland Taschentuch- und Regenschirm-Verkaufszahlen wie jedes Jahr um diese Zeit wieder sprunghaft ansteigen) – warum nicht genießen? Warum nicht glücklich sein? Himmifixsackra: das geht ja schließlich auch ohne Golf!

Und ich bin glücklich. Ganz besonders darüber, dass ich keinen Drillseargent an meiner Seite habe – der hätte mich ob meiner heutigen Anti-Performance vermutlich direkt ins Bootcamp geschickt. Ich allerdings hätte kurzerhand die Lappen hingeworfen und mir fortan einen anderen Spielpartner gesucht. So viel ist auch sicher!

Ich lasse also los – Schläger, Anspruch, Scorekarte – und es fühlt sich unglaublich gut an. Die Mundwinkel lösen sich von der Erdanziehung und ich genieße einfach Platz und Leben.

Was bleibt ist die Erkenntnis:

Golf ist das schönste Spiel im Leben –
doch kann’s auch Tage „ohne“ geben.

Ich wünsche uns allen einfach den Mut, das schon deutlich vor Loch 8 zu erkennen und uns unsere Durchhalteparolen für Turniertage aufzuheben. Unsere Kardiologen – und Spielpartner – werden es uns sicher danken!

 

 

© Karin Buchholz 2017

veröffentlicht im Magazin GOLF IN HAMBURG des Hamburger Golfverbandes e.V.
Heft 6/2017