Rough Times #7: My Verein is my Castle

Manche Menschen sammeln Briefmarken, andere Bierdeckel, Aschenbecher, Ü-Eier- oder Hummel-Figuren, Gartenzwerge oder die seit Generationen unsterblichen Engel aus dem Erzgebirge. Andere sammeln Ihr Altglas und Plastikflaschen bis zum oberen Füllstand der Garage (Auto parkt dann eben draußen), wieder andere sammeln Follower, Freunde und Kontakte in den social media, ohne jemals auch nur eine Zeile des Austausches mit ihnen zu pflegen. Wir sind eben Jäger und Sammler. Irgendetwas sammeln wir alle – und wenn es Erfahrungen sind.

Das allerbeste Freigehege, um Erfahrungen zu sammeln, ist aber unsere deutsche Vereinskultur. Fast jeder Bundesbürger jenseits des Krabbelalters ist oder war Mitglied in einem Verein, und den größten Anteil aller Vereine machen bundesweit die Sportvereine aus. Ist ja auch prima: da sammelt man Erfahrungen für’s Leben. Demokratie. Miteinander. Mannschaftsgeist. Nicht zu vergessen Zickenkrieg, Regelpäpsterei und Besserwisserei. Basiswissen also.

Vereinen liegen Strukturen zugrunde, die man entweder mag oder hasst. Strukturen, die man durchblickt oder nicht, manche, die für ein Funktionieren notwendig sind, und solche, die für knirschendes Miteinander sorgen. Es gibt Häuptlinge und Indianer – oder anders gesagt: die immer Gleichen, die machen und die immer Gleichen, die aus der hinteren Reihe meckern und besserwissern. Dazwischen ein zumeist träges Völkchen Mitläufer, die je nach aktueller Gemengelage und Seilschaftzugehörigkeit dann eher zufrieden oder unzufrieden hinterdreinlaufen und ihre konstruktiven Vorschläge besser mal für sich behalten. Man will sich’s ja nicht mit – wohlmöglich – jemand Wichtigem verderben. Aber opportunistisch vor sich hinmurmeln geht gut, ist generationsübergreifend angelegt und völlig themenunabhängig. Herrlich! Da kann man sich so richtig entfalten. Und gesund ist’s auch noch: ist ja schließlich ein SPORTverein. Man tut ja was für sich – so insgesamt und ganzheitlich.

Ganzheitlich betrachtet, sind auch Golfvereine so angelegt. Vorstand, Ältestenrat, Clubmanager, Clubsekretärinnen und andere Pöstcheninhaber verschiedener Härtegrade reihen sich an mehr oder minder motivierte Gastronomiebetreiber und geben Spielwilligen und sonstigen Freizeitabenteurern ein Zuhause. Dabei werden die Mitglieder sauber aufgeteilt in Jugend, Jungsenioren, Senioren und Oldies, in Herrenrunde und Damennachmittag, in Mannschaften, Kungelgrüppchen, Saufrunden und sonstige Cliquen. Die Alteingesessenen geben zumeist den Ton an, Neue haben es oft schwer und Hackordnungen ändern sich nur zäh. Dazu kommen passive Mitglieder, die abseits des Spielgeschehens am Clubleben teilnehmen oder sich wohlmöglich in Ausschüssen o.ä. aktiv einbringen. – Für jede/n gibt’s den richtigen Topf samt Deckel, und bei offenen Turnieren, Club-Matchplays und Trostrunden mischen sich dann die Topfinhalte.

Ein weiterer Topf enthält die Greenkeeper-Mannschaft. Das sind die, ohne die es gar nicht ginge, die aber wahlweise als störend (weil im Weg – einer mäht bekanntlich immer!) oder bestenfalls(?) als unsichtbar gehandhabt werden. Grüßen muss man die auch nicht. Warum auch? Die reparieren doch eh nur die Divots, die wir gerade bei unseren Super-Annäherungen rausgehackt haben und machen unseren Dreck weg. Hab’ ich ja schließlich bezahlt – Clubbeitrag und so.

Überhaupt ist die Attitüde „MEIN Verein“ weit verbreitet: Mit Betonung auf dem Possessivpronomen (gemeint ist das „mein“, für alle diejenigen, deren Deutschunterricht im Augenblick zu weit weg ist) wird alles, was der Verein bietet als selbstverständlich konsumierbar mitgenommen. Dass ein Miteinander aber erfordert, dass man dafür auch etwas EINBRINGT, erschließt sich den meisten nicht. Wegen Clubbeitrag und so. Hab’ ich ja schließlich bezahlt. Steht mir zu. My Verein. My Castle. My-oh-my…

Ja – und nein.

Nur weil es eine Driving Range GIBT, die sicherlich von den Clubbeiträgen gebaut und instandgehalten wird (und werden soll), muss man sich dort nicht bewegen wie die sprichwörtliche Axt im Walde. Niemand bricht sich ein Bein, wenn er seine Ballkörbe an den Ursprungsort zurückbringt, wohlmöglich auch auf der Range mal die Divots zurücklegt, umherfliegendes Papier aufsammelt…

Nur weil es einen Golfplatz GIBT, der von den Clubbeiträgen immer aufs Neue manikürt und zur Spielfreude aller in Schuss gehalten wird, muss man ihn ja nicht hinterlassen wie eine Panzerdivision das Herbstmanöver. Die guten alten Klassiker Bunkerharken, Pitchmarken ausbügeln, Fahne nicht plump aufs Grün werfen (und und und) –  kurz: pfleglich mit dem Platz umgehen – sind eben nicht mit der Beitragsüberweisung abgegolten und erledigt.

Um auf das hübsche Possessivpronomen zurückzukommen:
MEIN Verein heißt, ICH kümmere mich auch selbst darum, dass es hier schön ist und bleibt. ICH bin ein Teil der Gemeinschaft – einer Gemeinschaft, in der es entgegen jeglicher narzisstischen Selbstwahrnehmung eben nicht um mich, sondern um das Gesamte geht. Es ist nämlich nicht MEIN Verein allein, sondern UNSER.

Aber hier wie überall gilt: Vorleben. Vormachen. Selber machen. Nix meckern. Nix murmeln. Menschen sind Herdentiere, und wer weiß: vielleicht läuft auch mal jemand den GUTEN Vorbildern nach. Ist übrigens gratis. Clubbeitrag und so…

 

(c) Karin Buchholz 2017

veröffentlicht im Magazin GOLF IN HAMBURG des Hamburger Golfverbandes e.V.
Heft 5/2017