The Christmas Pickle
Okay – für alle, die beim Lesen dieser Überschrift phonetisch bedingt auf falsche Gedanken kommen: Es geht nicht um Hautprobleme. Aber – genauer betrachtet – wird uns hier genauso wie bei den munter hochgespritzten Botox-Damen und ‑Herren jedweden Alters auch kräftig etwas vorgegaukelt: eine vermeintlich deutsche Tradition nämlich.
The Christmas Pickle – zu Deutsch nichts Banaleres als “Die Weihnachtsgurke” – ist angeblich genau dies: urdeutsches Brauchtum und aus unserer germanischen Weihnachtserlebniswelt schon seit Jahrhunderten nicht mehr wegzudenken.
Es handelt sich um eine Weihnachtsbaum-Dekoration in Form einer sauren Gurke, die – sei es Überlieferungen oder wohl eher übersteigerter Phantasie zufolge – traditionell in deutschen Weihnachtsbäumen hängen soll. Und sobald man hier einem Amerikaner erzählt, etwas sei irgendwo Tradition, dann stürzt er sich voller Fremdenfreundlichkeit und weltoffener Begeisterung auf das Thema und macht was draus. Noch dazu, wenn es sich um deutsches Brauchtum handelt. Schließlich hat jeder Zweite hier eine Großmutter, die ursprünglich aus Düsseldorf kam, einen Vater, der in Rammstein stationiert war, oder er hat selbst einmal in “Heidelbörg” gewohnt.
Amazing!
Ich bin immer wieder überwältigt von den Geschichten, die uns hier über “die Deutschen” begegnen. Zumeist hoch amüsante Details unseres Lebens, die weder mir noch all meinen deutschen Freunden und Bekannten jemals tatsächlich über den Weg gelaufen sind. So auch besagt-“berühmte” Weihnachtsgurke.
Ich habe noch nie irgendwo eine Gurke in einem Baum hängen sehen – weder in Deutschland noch sonstwo, und ich hätte mich auch hinlänglich darüber gewundert. In den letzten Jahren hat ja verrückter Baumschmuck durchaus auch außerhalb der USA Einzug in die Weihnachtsstuben gefunden – ich denke da beispielsweise an grinsend skifahrende Kühe mit Weihnachtsmützen oder kleine Schweinchen mit Engelsflügeln – ganz zauberhaft (oder auch nicht)! Vielleicht bin ich ja altmodisch, aber ich finde Kugeln – also piepordinäre, runde Kugeln ohne viel Schnickschnack – immer noch am schönsten.
Nun, Geschmack ist ja bekanntlich eine äußerst dehnbare Größe.
Zurück zum Grüngemüse.
Angeblich besteht die traditionelle Gurkenweihnacht darin, dass man eine saure Gurke namens Christmas Pickle irgendwo im fertig geschmückten Baum versteckt. Derjenige, der das hässliche Gemüse dann als erster im euphorisch zugeschmückten Weihnachtsklimbim entdeckt, bekommt ein zusätzliches Geschenk.
How nice!
Das hat sich doch bestimmt so ein kleiner pickeliger Langweiler ausgedacht, dem bloß immer zu wenig Geschenke unterm Baum rumlagen. (Damit wären wir dann also doch bei den Hautproblemen gelandet. Sorry.) Laut Packungsbeilage beschäftigen wir uns in Deutschland bereits seit Urzeiten mit diesem Brauch – und zwar bereits in den dunklen Zeiten vor der Erfindung gläsernen Baumschmucks 18hundertirgendwann. In dieser pränatalen Glasschmuck-Phase griff man natürlich noch auf echte Gurken zurück und betete vermutlich aufgrund des aufdringlichen Geruchserlebnisses gleich noch etwas intensiver zum Jesuskind hinüber, jemand möge alsbald fündig werden.
Merry Pickle, sag ich da nur.
Wer Lust bekommen hat, an den Feiertagen noch ein wenig mehr unnützes Wissen zu diesem Thema anzuhäufen, dem empfehle ich zum Weihnachtspunsch noch den folgenden link: http://german.about.com/library/blgermyth11.htm
HO HO HO