Allein unter Bikern – Ein neidischer Seitenblick auf Leder und Chrom

Ich gebe es zu:

seit meiner Jugend träume ich davon, einen Motorradführerschein zu machen. Die chromblitzenden Knatterstücke aller Couleur faszinieren mich, wann und wo immer ich ihnen begegne, aber zur eigenen Motorradbrautkarriere hat es irgendwie nie gereicht. Und so gönnte ich mir an diesem Wochenende einen neidischen Seitenblick auf das alljährliche „Leesburg Bikefest“ hier in Florida.

Vorausschicken möchte ich, dass wir uns hier in der Floridianischen Wallapampa befinden, in the middle of nowhere, in den boondocks – will sagen: am Arsch der Welt. Und trotzdem ist es eines der schönsten Fleckchen Erde, die ich kenne: Inmitten üppiger Vegetation, umzingelt von ungezählten Golfplätzen, eingerahmt von Kleinstädtchen und Durchgangsorten, wie es sie wohl nur noch hier gibt, und umgeben von gastfreundlichen, wunderbaren Menschen ist das Leben hier noch beschaulich und in der Regel um einige Dezibel leiser als anderswo.

Nun, das war in den letzten drei Tagen deutlich anders – so lange nämlich rattern und knattern die hochglanzpolierten Imponierstücke mit so schmucken Familiennamen wie Harley Davidson, Boss Hoss, BMW oder meinethalben auch Kawasaki durchs einstmals friedliche Gelände. Eine Spritztour nach der anderen, Freiheit pur, die nur hin und wieder durch absurde Ampelschaltungen jäh gebremst wird – Gänsehautfeeling mit jeder Umdrehung, jedem Motorblubbern mehr.

Vor den Kneipen und Restaurants im Umkreis parken sie dann in prachtvollen Dreier- und Viererreihen, und das Sortiment reicht von windschnittig-elegant bis hin zur etwas plump-gemütlichen „Musikdampfer“-Version, die aber das tiefenrelaxte Südstaaten-Lebensgefühl hervorragend transportiert. Ständig putzt und wienert mindestens eine Handvoll tätowierter Asphaltpiloten an ihren Bikes herum, alles blitzt und funkelt, als wäre der Tacho nie über 10 Meilen Gesamtfahrleistung hinausgekommen. Und dabei sind einige richtig alte Ladies mit von der Bikerpartie – also die mit zwei Rädern. Aber auch obendrauf sitzen einige ältere Semester, männlich wie weiblich, die ihr Haar freiheitsdurstig im Wind flattern lassen oder mit bunten Haudegen- und Piratentüchern verzieren.

Das wünscht man sich bei uns drüben im kühlen Norden der deutschen Republik: Sonnenschein und freie Fahrt! Hat man dort ja gefühlt selten – deshalb auch das Bikefest hier in Florida. Isjaklar. Aber bei 35 Grad im Schatten? Ich weiß nicht – so ne Vollmantellederkutte macht ja durchaus einen verwegenen ganzer-Kerl-Eindruck, aber dadrin hat’s dann schnell Großküchentemperaturen (und zwar gemessen IM Topf, versteht sich). Die solchermaßen weichgegarten Biker-Schmorbraten bevölkern dann auch regelmäßig die Frischwasser- und Getränke-Etablissements der Umgebung, um bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Kombi bis zur Hüfte runterzupellen und erlöst auszudampfen.

Verwegenere Gesellen – diese dann zumeist aus der Rubrik der erwähnten Musikdampfer-Piloten – fahren auch mit T-Shirt und kurzer Hose – allerdings Lederweste und Helm müssen sein. Und wieder sind ganze Kerle gefragt: mit kurzen Hosen rauf auf die knallheiß-sonnengebratenen Ledersitze – da braucht’s Mut, Überwindung und einen coolen Gesichtsausdruck. (Ich wette, deshalb tragen die alle dunkle Sonnenbrillen! Damit wäre nun also auch dieses allerletzte Bikergeheimnis gelüftet.)

Unterm Stahlhelm entdeckt man dann alles vom Highschool-Jüngling bis zu grauen Bärten à la ZZTop und manch faltiges Gesicht – aber eines haben sie alle gemeinsam: Freude am Fahren.

Das Dreitage-Event lockt Biker aus den gesamten USA hierher – stolze dreißigtausend(!) sollen es sein, die zugegeben laut und auspuffstinkend den amerikanischen Freiheitstraum ausleben. Ein Ereignis, das den Boden buchstäblich erzittern und die Luft nach Freiheit und Hamburgern, Bier und Volksfest riechen lässt. Ein Fest so ganz nach amerikanischem Geschmack – auch für Passiv-Biker wie mich. Und wenn sich Abgasqualm und röhrender Sound wieder in alle Winde verstreut haben, denke ich noch mal in Ruhe über meinen Motorradführerschein nach.

 

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