Welcome to Flamingo Country – Schönes, schillerndes Florida
Mein Aufenthalt in den USA neigt sich nun dem Ende und der Rückkehr ins inzwischen winterliche Deutschland zu. Aber jedem, den es nach Amerika zieht, möchte ich Florida als Reiseziel unbedingt ans Herz legen. Es ist so ziemlich das Schillerndste, was man sich im Hinblick auf Lifestyle, Farben und Archetypen vorstellen kann.
Florida ist das Land der rosa Flamingos, der Alligatoren, die Welt der NASA und Walt Disney’s. Hier werden Träume nicht nur gemacht, hier werden sie gelebt. Von Tellahassee im Norden bis Key West im äußersten Süden schillert dieser Staat in allen nur vorstellbaren Farben – wenngleich ein bonbonfarbenes Pastell hier besonders gern genommen wird. Hier sind “all things possible”, nichts ist unmöglich, alles erlaubt und jeder willkommen. Und wer noch dazu ein buntes Hawaiihemd, kurze Hosen und Sandalen trägt, sowieso. So findet sich hier ein buntes Gemisch aller Couleur, das bei warmen (Fast-)Alljahrestemperaturen das Südstaatenleben, Sonne, Strände und Golfplätze bevölkert und genießt.
Ein Land, das uns so fundamentale Dinge wie Mickey Mouse und die NASA beschert, hat mit seinen unzähligen Seen im Inland und Stränden in Ost, Süd und West viel zu bieten. Doch auch die dazwischen liegende country side ist wunderbar, und ich lasse sie gern an meinem Autofenster vorüberziehen, während ich angenehm geschwindigkeitsbegrenzt dahinrolle. Farmhäuser, Ackerbau und Viehzucht und riesige Baumschulen allerorten ziehen an mir vorbei ebenso wie (leider auch teils bemitleidenswert vernachlässigte und aufgegebene) Citrusplantagen, an denen jetzt, im November, die ersten Orangen der Saison ihre kräftige Farbe bekommen. Grapefruit- und Orangenbäume, säuberlich in Reih und Glied soweit das Auge reicht.
Die Ortschaften, die sich in weiten Abständen an die Straßen lehnen, zeigen in der Regel drei Dinge: einen meist schäbigen, etwas heruntergekommenen food store, (sogenannte Mom-and-Dad shops, vergleichbar unseren Tante-Emma-Läden) für’s täglich Brot und mehr, eine ebenso windschiefe wie wenig einladende Kneipe und ein – fast immer – überdimensioniert großes Post Office. Und schwupps – ist man schon wieder draußen aus dem Ort. Basics only.
In diesem Land der nimmermüden Klimaanlagen, in dem die Läden keinen Ruhetag und bis spät abends geöffnet haben, lebt ein außerordentlich gastfreundliches Völkchen, das sich meist ausgelassener Stimmung erfreut und seine Gäste mitreißend in die Arme und unter die Fittiche nimmt. Das ist zumindest das Bild an der Oberfläche, das sich dem Besucher hier vermittelt. Wenn man den zahllosen Reklameschildern an den Highways Glauben schenkt, ist man hier Golfspieler, Rentner oder veteran (oder auch alles zusammen), oder snow bird, wie die Landsleute aus dem Norden genannt werden, die vor dem Schnee in ihren Heimatstaaten hierher in die Südstaatensonne flüchten. Na ja, dazwischen gibt es natürlich auch die ganz normalen Me and You’s, die einer geregelten Arbeit nachgehen und Geld verdienen. Aber die sieht man halt draußen weniger…
So verströmt dieses Land ein Dauerurlaubsfeeling rund um die Uhr, vierundzwanzig Stunden am Tag. Und in dieser komplett unrealistischen Kulisse wirken dann auch Erlebnis-Super-Parks wie Disneyland, Seaworld oder Universal mit ihren Traumfabriken gar nicht mehr so phantastisch und außerweltlich. Alles ist hier groß und laut und bunt – warum also nicht mit einer ausgewachsenen Riesenmaus über den Asphalt tanzen?
Immerhin ist dies das Land, in dem ein Großteil des Fernsehgeschehens (wenn nicht gefüllt von Dauer-Nachrichtensendungen) von so unglaublich wichtigen Dingen wie (natürlich!) Football-Kloppereien, Baumfäll-Wettkämpfen, Wrestling, Live-Talk mit Oprah Winfrey und nervtötenden Werbeeinblendungen bestimmt wird. Besonders erwähnt sei in diesem Zusammenhang auch die alljährliche Übertragung der Incredible Dog Challenge, bei der – zugegebenermaßen unglaublich geschickte – Hunde in unterschiedlichsten Disziplinen den Schnellsten-Höchsten-Besten unter sich ermitteln. Wahrhaft sehr amerikanisch!
Über all dem regiert die ultimative Verschwendung und Maßlosigkeit. Wenn die Amerikaner könnten, dann würden sie ihre überdimensionierte Rundum-überall-Beleuchtung und ihre lautstarken Klimaanlagen auch 30 Stunden am Tag Strom fressen lassen. In den Supermärkten und Restaurants wird der Gast (und sein Essen auf dem Teller) zu teuren Energiekosten auf fröstelige 15-17 Grad runtergekühlt, während beim Verlassen des Etablissements 30 Grad Wärme auf den Ahnungslosen lauern. Die absolut maßlose und unsinnige Vielfalt in allen Produktbereichen hiesiger Supermärkte und der achtlose Umgang mit Lebensmitteln im Allgemeinen und Müll im Besonderen fordern mir noch immer viel Geduld ab – Verständnis kann ich dafür nicht entwickeln.
Es gibt alles nur in großen Verpackungen – so als hätte jeder Amerikaner zuhause eine Fußballmannschaft einquartiert, mindestens aber vier Nachbarskinder auf Dauer bei sich aufgenommen. Die Autos sind (noch immer) in der Mehrzahl riesig und schlucken derartig viel Benzin, dass man das schlürfende Geräusch am inneren Tankauslass zu hören meint. Alles, wirklich alles, wird als Schnäppchen angeboten – alles ist irgendwie und aus völlig irrwitzigen Gründen reduziert. Das Kaufhaus Belks beispielsweise gewährt Senioren jeden ersten Dienstag im Monat 20% Rabatt – warum? Warum Senioren und/oder warum gerade diesen Dienstag? Bei Macy’s bekommt man als Ausländer 11% Rabatt. J.C.Penny hat seit Monaten jeden(!) Artikel seiner Riesen- Geschäfte heruntergesetzt, es gibt keinen Artikel, der dort zu einem regulären Preis verkauft wird. Bleibt doch die Frage, ob die regulären Preise so unglaublich hoch angesetzt werden, dass man mit gespielten Rabatten noch immer den eigentlichen Preis erzielt, oder ob die Firmen wirklich nur noch über Extremrabatte an das Portemonnaie ihrer Kunden herankommen, die durch Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrise derzeit mehr als gebeutelt sind.
Das inzwischen gewohnte Bild der “Buy one – get one free”-Schilder am Straßenrand sorgt dann höchstens noch für einen zweiten Blick, wenn das Wörtchen “free” fehlt: “Buy one – get one” – also ganz normales Einkaufen. So was geht?!
Auf jeden Fall erzeugt das Dauer-Rotstift-Getue immer den Eindruck eines Schnäppchen-Wunderlands – und ob das wirklich ein erstrebenswertes Image ist, bleibt dann wahrlich zu diskutieren. Es passt aber schön zum Dauer-Urlaubs-Gesamterlebnis im Flamingo Country.
Erst langsam – sehr langsam – dringt eine Art verschämtes Umweltbewusstsein in die amerikanische Aufmerksamkeit vor. Ein paar vereinzelte Werbespots für das hiesige Waste Management lenken den Non-Stop-Verschwendungsblick zumindest für ein paar Sekunden auf die Tatsache, dass man aus Müll mehr als nur stinkende Halden machen kann. Und es gibt sogar schon sogenannte “green jobs”, also Jobs in Firmen, die sich um Recycling & Co. beginnen verdient zu machen. Sogar Flaschen- und Dosenrecycling gibt’s – wenn auch erst in einigen wenigen Staaten und ohne wirklich funktionierendes System. Aber es ist ein Anfang…
kb.