Schatzsucher und Golddigger
Wir alle sind Realisten – zumindest würden wir uns gern so sehen. Und bedrucktes Papier zählt für uns alle zum Real-Alltag – viele werfen es achtlos überall weg und anderen vor die Füße. Sich wohlmöglich danach bücken? Igitt und außerdem doch unter unserer Würde! Doch kaum trägt das Papier eine Zahl, ein (zumeist altbacken-biederes) Bild und einen Regierungsstempel, dann bückt sich jeder: Geld, das förmlich auf der Straße liegt, ist doch jedermanns Traum. Und schon werden aus schnöden Realisten eilfertige Schatzsucher.
Hier, an den endlosen Stränden Floridas trifft man sie jeden Tag: Zumeist durchwandern sie einzelgängerisch den Sand – stets auf der Suche nach ihrem ganz persönlichen Schatz. Unter ihren Baseballcaps finden sich neuzeitliche Goldgräber: mit Kopfhörern, Siebschaufel und Metalldetektor bewaffnet geben sie den Freizeit-Indiana-Jones und hoffen auf den großen Fund. Am Ende des Tages und jenseits jeden Sonnenbrands besteht dieser dann zumeist aus ein paar Nickel oder Dimes, die einem Urlauber aus der Tasche gerutscht und im Sand verschwunden sind. Zu dumm: Geldscheine würden sie nicht mal bündelweise finden, aber die rutschen einem ja auch nicht so leicht aus der Tasche. Geld wie Sand am Meer…? Wohl eher nicht!
Würde man allerdings die Unmengen Coladosenverschlüsse (wir kennen sie alle: diese verbogenen Metallschnuppis, die sich einem hinterhältig ins barfüßige Körperende bohren und so für nachhaltige Urlaubsfreuden sorgen), Kronenkorken und Bonbonstaniol zu Geld machen können, dann wären die Jungs schon nach einem Tag saniert. Ich frage mich immer: lohnt das wirklich den Aufwand – denn schließlich kostet das Schatzsucherequipment ja auch erstmal eine ganze Menge; und dann kann ich persönlich mir wirklich ergiebigere Methoden vorstellen, meinen Tag zu gestalten…
Aber Schatzsucher sind ja auch keine Realisten – das haben wir ja schon eingangs festgestellt.
Eine ganz andere Spezies sind die sogenannten golddigger.
Ursprünglich meinte man damit die zumeist männlichen Kerle, die irgendwo am Gesäß der Welt unermüdlich kleine Klumpen aus den Flüssen spülten, sich Rücken und Gesundheit ruinierten und edelmetallbesessen ihr halbes Leben auf der Suche nach dem alles sanierenden nugget-Fund verbrachten. Die gibt’s auch heute noch, und wir können sie live im Fernsehen beobachten, ohne uns selbst in die Wildnis begeben zu müssen. Sofa, Fernbedienung, Chips – und los geht die Goldsuche!
Die modernen, strand-und-kneipen-tauglichen golddigger hingegen sind meist weiblichen Geschlechts und verbringen ihr Leben im Dschungel der Cocktail- und Tiki-Bars der sonnigen Hot-Spots. Raubkatzengleich durchstreifen sie minimalbekleidet die lichterbunte Livemusik-Wildnis auf der Suche nach ihrem ganz persönlichen goldnugget – das sich zumeist als sonnengebräunter Mittendsiebziger mit prallgefülltem Money-Clip in der Tasche herausstellt: Das Hawaii-Hemd bis zum Bauchnabel aufgeknöpft mit freiem Blick auf weißes Brusthaar, das verwegen von einer wuchtigen Goldkette durchbaumelt wird, spendieren diese Beutetiere ihnen freigiebig Drinks und schmücken sich zum Dank mit den braungebrannten Bikini-Schönheiten und solchen, die es irgendwann einmal waren. Und vor Selbstzurschaustellung bis über alle Peinlichkeitsgrenzen hinaus schrecken dabei beide Seiten nicht zurück. Ein Markus Lanz würde sich hier wohlfühlen, denke ich…
Jeden Abend sind sie anzutreffen im Reich der Schönen(?) und Reichen(!), und bisweilen gelingt einer Schatzsucherin sogar der ganz große Fang: ein Ring am Finger und eine neue Kreditkarte.
Ja, das ist böse. Ja, das ist sicher auch etwas pauschal. Aber jeden Abend hier – live, in Farbe und ganz ohne Fernbedienung. Sonnengebräunte Realsatire.
Come to the Tiki Bar and see for yourself!
© kb November 2013