Umzingelt

Unser Urlaubsdomizil im sonnigen Florida hatten wir mit Bedacht gewählt. Ein Haus in einer kleinen Siedlung innerhalb eines Golf-Resorts, direkt am fünften Fairway gelegen, mit Blick über einen der schönsten Golfplätze. Eine gepflegte Anlage, der perfekt entspannende Blick ins Grüne, gepaart mit etwas Voyeurismus, den man auf Höhe der in der Drivelandezone gelegenen Bunker (und weiterer vier Bunker in Sichtweite) schon ganz automatisch im Laufe der Tage entwickelt. Perfekt. Einfach perfekt.

Doch das, was sich beim abendlichen Sundowner-Drink auf der privaten Terrasse noch als der ultimative Friedensplatz der Welt inklusive Grillenzirpen und rotgoldenen Strahlen der tiefstehenden Sonne, die pittoreske Bunkerlandschaften, Abschläge und Grüns wahrhaft filmreif in Szene setzen, erschien, entpuppte sich im frühen Morgengrauen als Kulisse eines ganz privaten Horrormovies.

Pünktlich mit dem Tageslicht fiel eine gut fünfzehnköpfige mexikanische Gärtnercrew über das Gelände her. Wie die Heuschrecken machten sie sich mit allen nur möglichen, krachbringenden Gerätschaften über Büsche, Hecken, Bunker und Fairways her, als gäbe es kein Morgen mehr. Zwei feuerrote XXL-Mäher mit Nebelscheinwerfern bearbeiteten die Fairways, während zwei kleinere Aufsitzmäher die Abschläge und Grüns manikürten. Dazu ein ebenfalls motorisierter Mexikaner, der mit einem Laubpuster alles Lose (inklusive jeder Menge Sand) lautstark und ausdauernd aus den Bunkern beförderte – zehn Minuten je Bunker. Zur Erinnerung: Es liegen insgesamt sechs Bunker in unserer Sicht- und damit auch Hörweite! Diesem fröhlichen Gesellen folgten zwei Fahrzeuge, die in schwindelerregenden Kreisen und Geschwindigkeiten die Bunker harkten, anschließend (selbstverständlich bei laufenden Motoren) ausstiegen und nun die Bunkerkanten mit dem Laubrechen harkten. Natürlich wurde bei alldem lauthals spanisch kommuniziert…

Mittlerweile hatten sich die übrigen Ponchoträger durch die Siedlung gearbeitet und erreichten nun auch glücklich unser einst so friedvolles Häuschen mit ihren Heckenscheren und Motorsensen. Nun werden sie sagen: Wieviel Krach macht schon so eine kleine Heckenschere? Wer sagt Ihnen, dass sie klein ist? Hier in Amerika ist nichts klein, auch nicht die Heckenscheren. Es handelt sich vielmehr um ein ca. 2,5 m lange Geschütz, an dessen einem Ende – dem leiseren – die rotierenden Messer sitzen. Am anderen, deutlich lauteren Ende der Stange, in dessen Mitte sich ein weiterer Gaucho festhält (er trägt übrigens Ohrenschützer), befindet sich ein Benzinmotor, der mit ohrenbetäubender Penetranz nun auch den hartnäckigsten Urlaubs-Langschläfer aus den Federn röhrt. Und sollte diesen Herrn nun tatsächlich noch jemand überhört haben, für den folgt darauf noch ein freundlicher letzter Weckruf durch einen weiteren Aufsitzmäher, der die Rasenflächen direkt am Haus auf Nagelscherenniveau herunterstückelt.

Dazu sollte ich kurz erwähnen, dass die Crew einmal wöchentlich ihren Zug durch die Gemeinde veranstaltet – Unkraut und Triebe also überhaupt keine Chance haben, sich ernsthaft und zu ansprechender Größe zu entwickeln. Aber: wehret den Anfängen…!

Nicht vergessen möchte ich am Ende aber die Abschlusscrew, bestehend aus zwei alten mexikanischen Frauen mit sonnengegerbter, faltiger Haut und großen, breitkrämpigen Strohhüten, die zu Fuß der motorisierten Kolonne folgen und in großen Bottichen, die sie hinter sich herziehen, die Laubabschnitte und das ein oder andere Unkräutchen einsammeln. Sie sind bestückt mit Laubharken und – viel wirkungsvoller – zwei an ihren Gürteln befestigten Transistorradios, aus denen unablässig spanische Wortbeiträge dröhnen. Und wenn Sie jemals in Ihrem Leben spanische Radiowortbeiträge gehört haben, dann wissen Sie, dass diese in Stakkato und Temperament einem beständigen Streitgespräch gleichkommen. Beide Frauen hören – nichts ist selbstverständlicher als das – unterschiedliche Sender, so dass sie über immer mehr Lautstärke versuchen, ihren eigenen Wunschbeitrag besser verstehen zu können. Schön wird es dann, wenn sie sich über all dem Getöse noch eigene Gespräche um die Ohren hauen.

So erwacht die Siedlung schlagartig zum Leben.
Schön, so ein Urlaubsmorgen – und so friedlich.