Zu Gast unter Freunden – oder: heute schon jemanden abgehört?!

8_Seemann_Skulptur_Lauscher an der Wand_FreiburgWir kennen alle das alte Sprichwort: „Der Lauscher an der Wand hört seine eigene Schand’“, oder für unsere englischsprachigen Freunde: „Listeners never hear good about themselves“. Well… die Geheimdienste dieser Welt müssen derlei Redewendungen bei ihren Ausspähaktionen wohl überhört haben, und im Augenblick ist die NSA ja ganz vorne im Scheinwerferlicht mit dabei. Und eigentlich finden das alle Lauschdatensammler auch ziemlich normal – das mit dem Abhören – dürfen das aber natürlich nicht so laut sagen. Am meisten ärgert sie grad nur, dass sie dabei erwischt wurden.

Jetzt hagelt es erstmal Proteststürme, Aufregung und Polemik, es wird sich auf Freundschaft berufen, auf Loyalität und Vertrauen, ein wahres „Merkelgate“ wird heraufbeschworen – und dann machen alle einfach weiter wie bisher. Im Gegenteil: fatalerweise leitet aus den aktuellen Geschehnissen jetzt vermutlich so mancher Berufslauscher und Politstratege sogar ein quasi-moralisches Anrecht auf Gegenspionage ab. Denn dass die NSA nicht die einzige Behörde mit übergroßen Ohren und ebensolcher Neugierde ist, ist uns wohl allen klar. Aber alles natürlich immer und ausschließlich im Sinne der „guten Sache“ – jenem zutiefst ausgeleierten und überstrapazierten Begriff, der alles legitimiert. „The end justifies the means“ – der Zweck heiligt eben doch die Mittel, auch wenn der Zweck manchmal nicht wirklich auf der Hand liegt.

Na ja, MICH können die gerne abhören – meine Telefonate sind nun wirklich so uninteressant (und noch dazu selten), dass sich die Damen und Herren Lauscher gern bedienen dürfen. Ich bin aber immer wieder erstaunt, welch großes Mitteilungsbedürfnis andere Menschen so mit sich herumtragen. Heute morgen beispielsweise an einem der schönsten, fast menschenleeren Strände des Golfs von Mexiko – die Wellen rauschen bedächtig in meditativer Endlosschleife dahin, eine leichte Brise fächelt mir frühmorgendliche, frische Luft zu, ein paar Möwen dösen einige Meter entfernt und eine herrliche Hirnleere beginnt sich gerade breitzumachen, als ich meinen brandaktuellen Newsflash bekomme – per Telefon. Nein, nicht mein Telefon, sondern das einer Frau, die etwa drei Meter entfernt in den feinen Sand geplumpst ist und die nun – wem auch immer – in aller Herrgottsfrühe alles erzählt, was wirklich niemand jemals wissen wollte. Ich versuche es mit Ignorieren, mit auf-die-Wellen-Konzentrieren, mit Entspannungsmethoden – doch das Gequassel sickert ebenso unaufhaltsam wie klebrig in meine Gehörgänge. Schließlich höre ich dann doch zu (aha! Ich lausche also auch!) – allerdings nur um herauszufinden, ob es sich um einen Notfall oder eine Ausnahmesituation handelt, die tatsächlich ihrer sofortigen hektischen Klärung bedarf… nichts da. Ich erfahre, wieviele Shirts sie gestern bei Macy’s anprobiert hat, dann aber nichts Passendes gefunden hat, außer das Gelbe vielleicht, aber das war zu knapp, also nicht wirklich zu knapp, aber irgendwie doch zu knapp, und dann das blaue, aber Blau geht ja gar nicht, denn sie hat ja nur die schwarze Hose dazu, also sie hat natürlich auch ´ne blaue, aber die sitzt irgendwie nicht richtig, und dann hat sie gedacht, sie guckt doch nochmal bei Neimann Markus, und da hat sie dann dieses wirklich tolle-tolle Shirt gesehen, aber das hatten sie erstmal nicht in ihrer Größe, und dann war da diese schreckliche Verkäuferin……. boah STOP! Jetzt muss selbst ich zugeben: diese Frau IST ein Notfall!

Meine Güte nochmal, wer immer da am anderen Ende geduldig das Ohr ans Handy presst, muss wirklich nichts, aber auch überhaupt nichts anderes zu tun haben! Ich hätte schon längst aufgelegt, und außerdem kann ich den ganzen Kram nachher sowieso nochmal auf twitter oder facebook nachlesen…

8_Seemann_Skulptur_Der Lauscher:Ohrkratzer_Marktbreit

 

 

Mensch, würde ich einem der NSA-Jungs wünschen, dass er sich aus Versehen mal in deren Telefon reinhackt…! – und der kann dann nicht einfach seinen Stuhl zehn Meter weiter den Strand runtertragen.

 

 

Hey, aber vielleicht ist DAS ja die Lösung:

In jedes Ministerium, jedes wichtige Vorzimmer setzen wir einfach solche Dampfbrausenquassler ans Telefon, die quatschen dann den ganzen Tag die Leitungen dicht und die Geheimdienstler haben in kürzester Zeit die Schnauze voll vom Abhören. Lauschaktion eingestellt, und wir hätten auf diesem Wege gleich ein paar Arbeitslose weniger. Obendrein kann unsere Bundes-Angie wieder aufatmen und sich ungestört und unabgehört den Koalitionsverhandlungen widmen, die nun endlich Fahrt aufnehmen können, nachdem jetzt bei der SPD ja auch niemand mehr „Pickel beim Gedanken an eine Große Koalition“ [Zitat] bekommt… Da sind wir doch alle wirklich beruhigt, oder? Den dermatologischen Heilungseffekt trotz verlorener Wahl winkender Ministerposten hatte ich bislang nicht bedacht…

Interessant. Frau lernt eben immer noch dazu!

 

© kb 2013

Bilder:
(1) Detail aus K.-H.-Seemann-Skulptur “Lauschergruppe”, Musikhochschule Freiburg
(2) Detail aus K.-H.-Seemann-Skulptur “Lauscher” oder auch “Ohrkratzer”, Marktbreit