… und alles auf Kredit. Politik, Wirtschaftskrise und das Verhältnis zum Geld

Amerika steckt in der Wirtschaftskrise, und die Welle schwappt inzwischen über den ganzen Globus. Die neugewählte, noch nicht inthronisierte Regierung von Präsident-elect Obama versucht, der fallenden Kurse Herr zu werden, Wirtschaftsförderungs- und Rettungspakete mit langfristigen Erfolgsaussichten auf den Weg zu bringen und “nebenbei” die eigene Kabinettsbildung auf die Beine zu stellen.

Die Erstnominierten waren daher folgerichtig die Mitglieder des Wirtschafts-Teams. Eine wie es scheint schlagkräftige Truppe von Fachleuten und Insidern, die wissen, wie der Wirtschaftshase läuft – oder laufen sollte.

Mittlerweile kennt man nun auch die Mitglieder des National Security Teams inklusive Außenministerin Hillary Clinton. Einst parteiinterne Rivalin im Kampf um die Nominierung zur Präsidentschaftskandidatur, steht sie nun dem Außenministerium des zukünftigen Präsidenten vor. Und auch einmal ganz abgesehen von Madame Secretary besteht das neue Team aus starken Persönlichkeiten mit starken eigenen Meinungen. Eine, wie Mr. Obama versichert, wohldurchdachte Struktur, denn nur nach ausreichend kontroverser Diskussion auf höchstem Niveau werden die besten und tragfähigsten Entscheidungen getroffen. Stimmt. Hoffentlich entwickelt dieses Team aber nicht mit der Zeit eine derartige Eigendynamik, dass selbst er als Präsident sie nicht mehr unter einen Hut bekommt. Teamspieler sind jetzt gefragt und gemeinsame Lösungen.
Und auch die Überlegung, den bisherigen Verteidigungsminister Robert Gates weiter im Amt zu lassen, um insbesondere an den aktuellen Kriegsfronten in Afghanistan und im Irak für Kontinuität vor Ort zu sorgen, scheint vernünftig, zumal Mr. Obama damit einmal mehr beweist, dass das Parteibuch für ihn keine Rolle spielt, wenn es um konstruktive Zusammenarbeit geht. Heute reichte er noch einmal ganz offiziell allen Gouverneuren – egal welcher politischen Couleur – die Hand und lud sie ein, an tragfähigen Lösungen mitzuwirken. Jeder Denkansatz, der das Land weiterbringt, ist hilfreich, gleichgültig aus welchem Lager er kommt. Vielleicht schafft Amerika es ja doch, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Dann wäre der Basis-Change in diesem Land geschafft.
Good luck, Mr. President!

Doch auch über die Staatsgrenzen hinaus sendet die neue Regierung neue Töne. Nach acht Jahren Cowboytum unter dem Motto: “Wer nicht für uns ist, ist gegen uns” heißt die neue Botschaft unisono: “Wir (Amerika) brauchen die Staaten der Welt, ebenso wie diese uns brauchen. Wir können die Probleme nicht alleine lösen, nur gemeinsam.”
Gute neue Töne!

Aber außer einem neuen Denken in der Politik ist auch ein Umdenken bei jedem einzelnen Amerikaner notwendig. In diesem Land, in dem man alles – buchstäblich alles – mit der Kreditkarte bezahlt (von denen der Durchschnittsamerikaner ca. drei bis fünf unterschiedliche sein eigen nennt und mit sich rumschleppt), müssen auch die Menschen auf der Straße umdenken. Wenn an einem dorffestlichen Getränkestand, an dem Cola & Co für nur 1 Dollar verkauft werden, schon “Cash only” stehen muss (siehe Photo), dann ist etwas falsch…
Die seit Jahrzehnten gelebte Philosophie des “Heute kaufen – morgen – oder besser noch: übermorgen – bezahlen” muss einem grundsoliden “erst verdiene ich das Geld, dann kann ich es ausgeben”-Denken weichen. Das mag vielleicht langweilig sein, aber so einfach und simpel ist es. Eine Nation, die ständig mit Kredit auf morgen und übermorgen ihr Alltagsleben lebt, kann auf Finanz- und Wirtschaftskrisen wie die jetzige nur hilflos reagieren. Schlimmstenfalls ist man inzwischen arbeitslos, wenn endlich die Kreditkartenabrechnung kommt. Und über’s Krankwerden sollte man bei dem augenblicklichen (übrigens nicht umsonst arg umstrittenen) US-Krankenversicherungskonstrukt zur Zeit am besten gar nicht erst nachdenken.

Nun, und da ja bekanntlich eines zum anderen führt, würde dieses globale Umdenken dann auch endlich einmal Druck auf die amerikanische Industrie ausüben, denen die Wirtschaftlichkeit, Preiswürdigkeit oder gar Umweltfreundlichkeit ihrer Produkte bisher weitgehend schnurz waren – der Kunde kauft und zahlt ja (auf Kredit, versteht sich). Warum hohe Summen in Innovation und Energieeinsparung investieren, wenn ich meine altgewohnten Produkte ohnedies verkaufen kann? Die Autohersteller mit ihren grotesken Riesenkarossen sind da nur ein Beispiel.

Ein Volk, das in Wohlstandszeiten ein wahrhaft eigenwilliges Verhältnis zum Geldausgeben und Kreditaufnehmen entwickelt hat, muss sich neu kalibrieren. Ein Volk, das für sich proklamiert, dass “alles möglich ist” – und das in so wundervoller Art und Weise schon oft genug unter Beweis gestellt hat – sollte doch aber auch dazu fähig sein.

Change kommt nicht aus Washington. Change kann man nicht verordnen. Change kann man nur leben. Und einer macht’s vor.

kb.