Land of the Free… oder doch nicht?!

6_StarSpangledBannerSo kennen wir sie, die Amerikaner: Frei, weltpolizeilich, patriotisch. Doch das, was augenblicklich hier in Amerika passiert, hat mit alledem nun überhaupt nichts mehr zu tun. Gewählte Volksvertreter scharmützeln sich in Washington seit Wochen schwindelig und verspielen in voller Fahrt jedes Recht auf ihre Wählerstimmen oder gar Verständnis. Dumm nur, dass die USA nur genau diese zwei Parteien haben… wenig Auswahl im Land der vermeintlich unbegrenzten Möglichkeiten also.

Amerika ist eigentlich pleite. Seine Staatsverschuldung hat das mächtigste Land nicht nur über Wochen lahmgelegt, sondern die Glaubwürdigkeit und Tragfähigkeit der weltgrößten Demokratie zutiefst beschädigt. Und da hilft auch ein buchstäblich in allerletzter Minute zusammengezimmerter Deal nichts: das angekratzte Image bleibt an den Politpokerfaces kleben wie der Sirup, den sie sich morgens über die heißgeliebten Pancakes schütten. Und niemand – weder in Washington noch sonstwo im Land – sollte dem Irrglauben erliegen, es gäbe einen Sieger in dieser Sache, nur weil man nun irgendwie gerade nochmal die Kurve bekommen hat.

Unbegrenzte Möglichkeiten – das gilt eben leider auch für Selbstdarstellung und gegenseitige Demontage, für Machtspielchen und Blame Games, bei denen immer aufs Neue einer dem anderen die Schuld zuschiebt und immergleiche Argumente komplett lösungsfrei hin- und hergeschubst werden. Und, hey,  bei all dem Getümmel versuchen gleich mal die, die die Wahl (übrigens zum zweiten Mal hintereinander) verloren haben, nun doch noch ihr (Wahl)Kampfziel („Stoppt Obamacare“) durch die Hintertür durchzuschieben. Second Hand Chance? Scheint auch irgendwie nicht zu klappen… auch wenn daheim in Deutschland die Koalitionsverhandler ja zeitgleich ganz Ähnliches versuchen.
Nun ja.

Seit Wochen schon beschäftigt sich das US-Parlament höchst blamabel selbst – wie eine Riesenkatze, die sich selbst versucht in den Schwanz zu beißen. Und bei allem patriotischen Säbelrasseln gilt nicht mal das Selbstverständlichste als selbstverständlich: Schon mein Opa wusste, dass man kein Geld ausgeben kann, das man nicht hat und dass man Geliehenes am Ende auch zurückzahlen muss. „Spare beizeiten, dann hast Du in der Not…“ Mich hat mein Unwissen damals lediglich ein paar Wochen Ferienarbeit im nachbarlichen Hühnerstall gekostet – ich denke, die Jungs in Washington kommen nicht so billig davon. Es ist, denke ich, an der Zeit, dass die ewigen Polittaktierer – ganz gleich, ob aus dem roten oder dem blauen Lager – endlich anfangen das zu tun, wofür sie gewählt wurden: Lösungen suchen und finden. Schlicht gesagt: ihre Arbeit tun. Und die einzige Chance, jetzt noch ein letztes Restgesicht zu wahren (oder wiederzugewinnen) ist es, den Zeitaufschub, den der last-minute-Deal der Politik verschafft hat, auch wirklich konstruktiv zu nutzen und zur Abwechslung mal zielführend MITeinander zu denken.

NICHT nachdenken mag man allerdings über die zusätzlichen Milliarden, die der unsägliche Profilneurosenkampf der letzten Wochen das Land nochmal obendrauf gekosten hat – und noch kosten wird. Kommt ja nicht mehr drauf an… oder wie?! Wer am Capitol Hill nach diesem Beinahe-Urknall jetzt noch denkt, es ginge um bloßes Taktieren und Selbstdarstellung im immerwährenden post/pre-Wahlkampf, der sorgt aktiv dafür, dass Amerika im Januar wieder an genau demselben Cliff steht wie gestern und in den Wochen zuvor.

Derzeit werden allerdings statt funktionsfähiger Ideen zu Schuldenabbau und Kostendämpfung noch gebetsmühlengleich unnütze Anschuldigungen und Dauerstatements wiedergekäut, lautstarke Lippenbekenntnisse auf die Verfassung dahergeknödelt und niemand kommt von der Stelle, während CNN und Fox News emsig live berichten.

Universelle Selbstdemontage auf allen Kanälen.
Realsatire: Live, in Farbe und beschämend.

Doch machen wir uns nichts vor: Schuldenmachen ist schwer in Mode. Nicht nur in Amerika. Ich glaube, es gibt derzeit kein einziges Land auf der Welt, das schuldenfrei wäre, und gerade in Europa haben wir so unsere ganz eigenen Erfahrungen mit dem Geldverleihen und -geliehenbekommen, mit Schuldenobergrenzen und deren (Nicht—)Einhaltung. Und alle feixen jetzt dumpf über den großen Teich und denken: „Nur gut, dass wir’s diesmal nicht sind.“ Aber auch das ist natürlich Unsinn, denn auf unserem kleinen blauen Planeten schwappt auch das vermeintlich weit entfernte amerikanische Desaster bis in den letzten Winkel der Welt – früher oder später. Für’s erste haben jetzt allerdings die American People vor Ort die Probleme am Hals – Menschen, die arbeiten wie Du und ich, deren Bezahlung und Zukunft aber dank Staatsbankrott und Uneinigkeit auch weiter auf dem Spiel stehen. Menschen, die Politiker gewählt haben wie Du und ich, die aber – genau wie Du und ich – keinen wirksamen Einfluss haben auf das Schmierentheater, das da vor sich geht. Außer sich sind sie. Angst haben sie. Aber ändern können sie am Ende nichts.

Auch im Land of the Free ist’s halt nicht anders als anderswo…
Fast hat diese Erkenntnis ja schon wieder etwas Beruhigendes.
Wenn’s nicht so verdammt traurig wäre.

 

(c) kb 2013