Kind müsste man sein…oder: was Erwachsene von der Erholung abhält

3_beachDie schönste Zeit des Jahres – Urlaub. Mutti, Vatti und die lieben Kleinen geben sich der illusionären Hoffnung auf ein paar ruhige Wochen hin und verreisen. Gemeinsam. Und da fängt das Problem dann ja bisweilen auch schon an.

Es soll ja tatsächlich Familien geben, denen ein stressfreier gemeinsamer Urlaub gelingt. Ihnen allen gratuliere ich an dieser Stelle von Herzen!

Nun ist es ja aber so, dass man sich im erlernten Alltag durch alles, was so anliegt, gemeinhin ziemlich aus dem Weg geht und damit die gemeinsame Zeit – also zur selben Zeit am selben Ort – relativ gering ausfällt. Nicht aber so im Urlaub. Plötzlich meinen alle, sie müssten dringend „mal wieder was zusammen unternehmen“ und stellen dann meist schon nach ein paar Tagen enttäuscht fest, dass sie alle so grundverschiedene Interessen oder Tagesrhythmen haben, dass es immer für (mindestens) einen richtig anstrengend wird.

Das Debakel beginnt dann bereits bei der Anreise ins sorgfältig ausgewählte Feriendomizil. Das internetgepriesene Beachhouse mit Meerblick entpuppt sich als ebenso überteuertes wie heruntergekommenes Cottage im Stile canadischer Wald-Blockhäuser und wurde mittels (immerhin zweier, dafür unfassbar hässlicher) Strandbilder im Großformat auf „beachy-beachy style“ getrimmt – das jedenfalls wird wohl der Plan gewesen sein. Also mit Strand und hell und Florida hat das hier alles nix zu tun.

Na ja, man ist ja meistens draußen…

Dann beginnt die Raumverteilung – der erste Kampf, bei dem es ums Ganze geht. Wer bekommt das Zimmer neben dem Klimaanlagen-Aggregat, wer schläft neben der Waschküche, wer zum Parkplatz raus? Meerblick gibt’s nämlich nur im Wohnzimmer – dort allerdings reichlich.

Na ja, die Schlafzimmer sind ja nur für nachts…

Das Verandagestühl hat nicht nur bessere Zeiten gesehen, sondern zerfällt bei der ersten Benutzung schon mal in seine rostigen Einzelteile. Die Strandlaken haben schon Generationen von Touristen zuvor erlebt und mindestens doppelt so viele Waschgänge durchlaufen. Drei der fünf Strandliegen sind defekt, lassen sich aber mit duct tape Powerklebeband vorläufig fixen. Vatti ist also erst einmal im Reparaturmodus unterwegs, während Mutti die Kinder einnordet, nur ja immer die Schuhe auszuziehen, damit sie nicht den ganzen Sand hereinschleppen. Dieser Aufruf wird ebenso ungehört verhallen wie das Klebeband nicht den Belastungen der nächsten Tage standhalten wird – aber egal: endlich Urlaub!

Das Meer ist wirklich toll, der Sand herrlich weich und warm – alle sind für einen wunderbaren Moment rundum glücklich und zufrieden. So könnte es doch eigentlich bleiben…

Zu den Zerreißproben dieses Urlaubsfeelings zählt dann aber bereits die Wahl des Esslokals (fünf Menschen, sieben Meinungen, viel Geschrei), die Diskussion „wer hilft Mutti beim Einkaufen und warum immer ich?“ ist auch langwieriger als zuhause, und überhaupt: so ein Urlaubstag will doch irgendwie organisiert sein!

Schon beim Frühstück wird verplant, was das Zeug hält – immerhin: eine Stunde Strand am Vormittag ist genehmigt! – aber danach muss dann auf Teufel-komm-heraus Familienbespaßung betrieben werden. Zuhause erwartet jeder von jedem, dass er sich möglichst selbständig und „erwachsen“ verhält, und im Urlaub sollen dann plötzlich alle wie von Geisterhand zur selben Zeit Lust auf dieselben, möglichst kreischfröhlichen Sachen haben…

Und mal ehrlich: welcher pubertierende Teenager möchte schon freizeitgestalterisch mit dem Familiennachzügler und obendrein auch noch mit seiner Mutter über einen Kamm geschoren werden?!

3_flipflopcontestDie achtjährige Anna macht es dann in einem unbeobachteten Moment ihrer ganzen Familie vor: ganz ohne „großen Plan“ beginnt sie am Strand, Flip-Flop-Weitwurf nach komplett wahlfreien Regeln zu spielen – ganz mit sich allein und einer Riesenmenge Spaß. Ihr Lachen schallt mit dem Wind zu uns herüber, und ich freue mich, dass wenigstens einer von ihnen einen schönen Urlaubstag hat.

Vielleicht sollten meine Strandnachbarn mal versuchen, nicht immer alle unter einen Sonnenhut bekommen zu wollen. Individualität ist auch ein ganz herrliches Urlaubsgefühl und trägt – übrigens für alle – sehr zur Erholung bei. Und Zeit, die man im Alltag nicht füreinander hat, kann man sowieso nicht nachholen. Zeit gibt’s immer nur live. Jetzt. Nicht auf Kredit und auch nicht im Nachhinein.

 

© 2013 kb