Golf-er-Leben – Vom Golfplatz an den Golf von Mexiko

Florida – der „Sunshine State“ der USA – der dieses Prädikat auch gern selbstbewusst auf den Nummernschildern spazierenfährt, hat im gefühlten Abstand von fünf Meilen je einen Golfplatz… Und auch wenn diese Statistik natürlich nicht stimmt, so kann man dem Golfsport hier eigentlich nicht entrinnen. Außer vielleicht man reist mit Kindern, die es vorziehen, Goofy und Mickey Mouse zu besuchen, statt mit ihrem Papa vier Stunden über den Golfplatz zu traben – auch wenn dieser ob seiner spielerischen Darbietungen oftmals unglaublich Donald-ähnlich daherkommt. Der größte Spaß für die Kids wäre dabei ja noch, ihn mit dem Golfcart herumzukutschieren, aber ohne Führerschein geht hier in den meisten Clubs auch das nicht.
Dann also doch lieber zu Goofy…

Man soll aber gar nicht glauben, wie viel Verkehr es hier so auf den Golfplätzen gibt. Da sind zum einen natürlich die Golfer selbst, die – einmal am ersten Abschlag in die freie Wildbahn entlassen – mit ihren kleinen Elektrowägelchen kreuz und quer durchs Gelände wuseln. Immer auf der Suche nach verflixt kleinen Golfbällen, die sie zuvor in wilder Streuung in die Landschaft entsandt haben. Da kurvt man dann einträchtig suchend durch dichtes Buschwerk, Unterholz, Kraut und Rüben – wohin der mehr oder minder geübte Hobbygolfer halt so spielt. Dazwischen knattert munter der Dieselmotor der Bretzel- und Getränkefrau, die den Platz in steter Regelmäßigkeit nach Kunden durchstreift.

Bevor aber die Spieler die Szenerie so bunt bereichern, fällt jeden Morgen noch vor dem ersten Tageslicht die Greenkeeper-Crew auf dem Platz ein. Scheinwerferlichter wandern dann Irrlichtern gleich durch das noch dunkle Terrain und mähen, was das Zeug hält. Jeden Tag. Immer wieder. Immer dieselben Strecken. Nach den Mähfahrzeugen (es gibt derer vier verschiedene für die unterschiedlichen Teilstrecken und Spielbereiche) folgen die Bunker-Boys. Zu dritt richten sie die Sandhindernisse her – einer vorweg mit einem Laubbläser, der dummerweise zusammen mit den Tannennadeln, Blättern und sonstigem störenden Kleinzeug auch jede Menge Sand gleich mit hinausbefördert. (Das Sandauffüllkommando kommt dann einmal im Monat.) Diesem ersten folgt ein zweites Männchen auf einem Minitrecker, der mit einer anhängenden Harke schöne Kreismuster in den Sand fährt und dessen ästhetisches Werk dann von Mexikaner Nummer drei vollendet wird, indem dieser die Bunkerkanten (die man mit dem Trecker tunlichst nicht befahren und damit final niedermachen sollte) in Handarbeit mit einem altherkömmlichen Laubrechen ausharkt. Anschließend kommt noch der Obergärtner zur Kontrolle rumgefahren, dazu jede Menge Astschneider, Motorsenser und sonstige Krachmacher – alle mit einem eigenen Wägelchen, alle im Dienste der golferischen Gemeinschaft.
Und ich dachte immer, Golfplätze wären die ruhigsten Plätze der Welt…!

Neben Golfcarts benötigt der Amerikaner im übrigen ganz allgemein selbst für kleinste Strecken ein Fahrzeug, und wenn es besonders gut für ihn läuft, nennt er einen HUMMER sein eigen. Das sind diese Riesenmutanten, neben denen sich ein normaler Pkw wie ein Matchboxauto ausnimmt, und die ihr Kommen durch ein tiefes Baritonbrummen schon von weitem ankündigen. Überhaupt sind große Autos nach wie vor des (Südstaaten)-Amerikaners liebstes Kind – Ökoautos und Kampagnen für Kleinwagen hin oder her – ein waschechter Redneck fährt einen Pickup. Punkt.
Man schmeißt dann am Wochenende einfach all seinen Krempel wahllos hinten auf die Ladefläche – inklusive sämtlicher Freunde, Kinder und Nachbarskinder, die im maximal Dreisitzer vorn keinen Platz finden, und schaukelt über den Highway an einen der traumhaften Strände des Landes. Großartig dann, wenn man – wie beispielweise in Daytona Beach – nicht mal sein Auto irgendwo parken und lästigerweise seinen ganzen Hausrat ans Wasser schleppen muss, sondern den Pickup kurzerhand mit an den Strand nehmen kann. Toll. Und wiederum so friedlich!

Manchmal hat man den Eindruck, die Amerikaner werden noch mal gänzlich das Laufen verlernen. Fast jedes Geschäft hat hier einen Drive-Through-Schalter – nicht bloß die Fast-Feeder dieser Welt wie bei uns – nein: auch Apotheken, Reinigungen, Postämter, Banken etcetera. Bloß nicht den Hintern aus dem Sitz bewegen!
Dagegen mutet es dann einigermaßen seltsam an, dass in den letzten zwei, drei Jahren vielerorts Fahrradspuren neben den Straßen gebaut wurden. Bis letztes Jahr fuhr da zwar niemand, aber es ist ja schon mal schön, wenn man sie hat. Vergangene Woche haben wir dann tatsächlich zum ersten Mal ein paar Pedalisten in Aktion gesehen – schneidig in enganliegendem Nylon. Bei den hiesigen Temperaturen sicherlich auch kein hundertprozentiges Vergnügen…

Apropos Vergnügen: Es gibt kaum ein besseres Reiseland für Vergnügungssüchtige aller Art als Florida. Wer ohne Trubel und Partyleben auch im Urlaub nicht auskommt, sollte sich an die vorwiegend turbulente Atlantikküste im Osten begeben. Hier reihen sich die Attraktionen in bunter, überbordender Vielfalt aneinander. Neonfarben bestimmen das Bild der Beachbars und Grills, Bootsvermietungen, Parasail-, Paraglide- und Wasserskiangebote überschlagen sich und man befindet sich permanent unter sowohl optischem als auch akustischem Dauerfeuer.
Wen es dagegen mehr nach Ruhe und weniger belagerten Stränden verlangt, dem sei eher der Golf von Mexiko empfohlen. Man ist auch hier sicherlich nicht allein, aber das Leben ist doch um einige wohltuende Dezibel leiser.

Doch egal wo: Floridas Küsten sind einfach herrlich! Die Geographie will es, dass dieses Land ja nun mal von drei Seiten von Wasser umgeben ist, und der Weg von einer Küste zur anderen ist locker in vier Stunden zu schaffen. Tages- und Spontanausflüge sind also jederzeit machbar und allseits beliebt. Fans von Nachtfahrten können am Golf von Mexiko ihren Sundowner genießen und der tiefroten Sonne beim abendlichen Abgesang zuschauen, sich irgendwann ins Auto setzen und am nächsten Morgen drüben an der Ostküste von der Sonne wachkitzeln lassen. Wo sonst geht das schon?

Wer allerdings in der Nähe von Clearwater am Golf von Mexiko seine Zelte abbricht und über die ewiglange Howard-Frankland-Bridge aufs Festland Richtung Tampa fährt, sollte keinesfalls einen Stop in Frida’s Bakery versäumen – diese Konditorei ist für alle Kuchen-, Schoko- und Backwaren-Fans ein absolutes Muss! Ich habe wirklich noch nie an einem Ort so viele unglaublich köstliche Sachen gesehen: Cupcakes mit fast schon widerlich-süßen, aber schier unwiderstehliche Zuckerhauben, Cookies in allen Größen, Formen und Geschmacksrichtungen, Muffins, Brownies, Cinnamon curls – einfach alles, was das Amerikanische Herz hellauf jubeln und jegliches Kalorienbewußtssein vergessen lässt, findet man hier gekühlt hinter Glas. Und dann die Torten: Voraussichtlich die höchstdotiertesten Kalorienbomben auf Gottes Erdboden, aber von einer so unglaublichen Vielfalt und Perfektion, dass selbst eingeschworenen Wurstbrotbevorzugern alle Wässerchen im Mund zusammenlaufen. Für meine Geschmacksnerven wäre das sicherlich der Overkill – aber auch dafür hat Frida den richtigen Kuchen:
Chocolate Suicide – Schokoladenselbstmord.* Genau.

kb.