Urlaub aktiv – ach, lass mal!

2_Jogger_CollageDem norddeutschen Grauingrau glücklich per Urlaubsflieger entflohen, Hotel mit Meerblick, eine Sonne, die schon weiß, wie Frühling geht und: Jogger! Boah ist das alles sportlich hier! Zwischen Tagesanbruch und Frühstück liegt die gefühlte Turnschuhdichte auf der Strandpromenade bei satten 200 Prozent, und jedes unbewegte Kilöchen auf meiner Balkonliege wiegt auch vor dem Frühstück schon doppelt.

Aber morgens joggen – ach, lass mal! Das ist nicht so mein Ding. Außerdem habe ich gar nicht so viele schicke neonfarbene Designersportklamöttchen in meinem Repertoire, dass ich da mithalten könnte (und wollte). Ach, und Lästern macht von hier oben ohnehin doppelt so viel Spaß – na ja, und des Spaßes wegen fährt man doch schließlich in Urlaub, oder?!

Ganz ehrlich? Ziemlich viele Laufstile da unten sehen gleich mal so gar nicht gesund aus, und das Pusten hört man bis hier rauf in den dritten Stock. Mannmannmann, was wäre da erst los, wenn ich jetzt auch noch mitschnaufen würde – nee, lass mal!

Aber apropos: die erste Tages-Disziplin liegt ja auch für mich schon in Reichweite: Frühstücksbuffet. Auch da teilt sich die Holidayspreu vom Urlaubsweizen: da wird sich mit Ellenbogeneinsatz durch die Mitbewohnermenge gearbeitet als gälte es, auch hier gleich mal den persönlichen Claim abzustecken – wie vorhin, als man im ersten Morgengrauen die Badelaken auf den Poolliegen platziert hat. Erste Reihe, isjaklar. Und dann meckern, wenn die Kinder vom Nachbarn nachher mit dem aufblasbaren Gummihummer rumplantschen und einen nassmachen.
Jaja, Urlaub ist gar nicht so einfach!

Doch zurück zur heißen Schlacht am kalten Buffet, wie Reinhard May das Kampfgetümmel einst so treffend beschrieb.

Wie immer, wenn’s um’s Essen im öffentlichen Raum geht, gibt es diese unendliche Bandbreite von Tisch- und sonstigen Manieren zu beobachten, die mich immer wieder sprachlos macht: im adipösen Überschwang turmhoch beladene Teller, skurrile kulinarische Kombinationen sinnlos vereint auf einem Teller (aber bloß nichts auslassen!) und dazu die teils schwindelerregende Zielstrebigkeit und Eile dieser Masse Morgenmenschen lassen mich tief in meinen Sitz zurückgelehnt staunen. Über die Ess- und Kaugewohnheiten meiner Mitmenschen schweigt der Kolumnistin Höflichkeit lieber – nur soviel: der Begriff “vollmundig” wird ringsum nur allzu gern wörtlich genommen. Kurz darauf fischt dann der freundliche Kellner die gerade mal halb leergefutterten Teller vom Tisch – jeder für sich ein Schlachtfeld mittlerer Größe. Platz da für die nächste Ladung! Endlich kommen Frau Hab-ich-ja-gebucht und Herr Kost-ja-nix mal wieder so richtig voll auf ihre Kosten und Verschwendung ist (k)ein Thema.

Natürlich schwinden einem angesichts der überbordenden Nahrungsvielfalt auf diesen Buffets gern mal die Sinne, aber gleich alle auf einmal?! Da werden Wohlstandstiere zu waschechten Futterneidern – und dabei ist doch wahrlich mehr als genug für alle da. Und das nicht nur am Urlaubsbuffet.

 

Na gut, diese Disziplin wäre nun also erfolgreich abgeleistet – jetzt mal ganz fix raus auf die Strandpromenade! Die ist jetzt nämlich joggerfrei und damit auch frei jeglicher Fettpölsterchenscham. Hier zeigt schon zu dieser frühen Jahreszeit jeder alles, wenig Stoff, viel Fleisch, noch mehr Tattoos – die ganze Geschmacksfreiheit auf einem Laufsteg vereint. Juchu! Das nennt man wohl eine echte Promenadenmischung…

So, genug gelatscht – rein in den Pub: Bierchen zischen! Und – klar – über’s Wetter maulen. Isjawiezuhause. Nie is’ dat Wetter rischtisch, ne?! Kannsse machen wat de willst, ne?! Kaum bieste iergenwo, da zieh’n Wollken auf, ne?! Isjakomischdat! Lassmaweiter. Suupermaarkt, ne?! Bierchen für Balkonien und Sonnenkräme – soll ja noch besser werden die Taage…

Oijoijoi! Irgendwo auf dem Globus muss es doch ein Plätzchen ohne diese “typisch deutschen” Urlauber geben… Lassmaweitersuchen. Tschüssken & Olé!

 

© Karin Buchholz April 2016