Too much

5_1_Living_collageEs gibt die einen, die den Hals nicht voll kriegen können von Menschenansammlungen aller Art, und es gibt die anderen, die kriegen gleich mal gehörig einen zu viel bei demselben Gedanken. Die einen machen hier offensichtlich schon immer Urlaub, zu den anderen zähle ich mich. Aber too much ist manchmal einfach too much.

Die gefühlte Hotel- und damit Betten- und damit (zwangsläufig) Menschendichte hier auf Gran Canaria ist hoch. Sehr hoch. Für meinen Geschmack zu hoch, schon in der frühen Saison. Aber wenn ich anfangs schon dachte, mein Hoteldomizil sei groß und reich an menschlicher Nähe, sollte ich da auf der Insel noch ganz andere “too muches” finden:

Fährt man die Küstenroute entlang, schlängelt man sich von Bucht zu Bucht von Bettenburg zu Bettenburg. Topografisch vorgegeben steilstmöglich an die Felsküste geklebt, dicht an dicht waghalsige, bienenstockähnliche Riesengebilde, die vom Felsen nichts mehr erkennen, dafür aber unglaubliche Mengen Urlaubsgäste erahnen lassen. Man erwartet förmlich ein irres Gesumme und Gebrumme, das über diesen Anlagen liegt, in denen es irgendwie nicht viel Platz für Spannendes außer Zimmer/Bett/Restaurant und Pool gibt. Es gibt ja kaum ein waagerechtes Geradeaus. Einfach nur senkrecht am Berg mit Pool davor. Blick aufs Meer – immerhin! – wäre da nicht diese pittoreske Zementfabrik, die irgendein kreativer Kopf auf einer schön ins Meer hinausragenden Landzunge platziert hat, damit sie auch ja von nahezu jedem Hotelfenster aus gut zu sehen ist. Selbst von hier aus – und wir sind –keine Ahnung- gute zwanzig Kilometer weit weg? Aber gerade direkt in den Buchten rund um die Zementfabrik sind mehr Betten in den Fels gehauen als Pickel auf einem Vierzehnjährigen Platz haben. Heiliger Christophorus, Schutzpatron der Reisenden!

Die PR-Maschinerien dieser Touristenwaben müssen wirklich Übermenschliches leisten. Hut ab! An mir würden da nur zwei verdienen: das Taxiunternehmen, das mich direkt zurück zum Flughafen bringt und die Fluggesellschaft. Dann lieber norddeutsch-kühl den Frühling einläuten als hier in der Senkrechten sonnenbaden. Aber das ist ja – wie alles – Geschmackssache. Ich find’s einfach schade für so ein ursprünglich sicher mal ganz rau-charmantes Fleckchen Erde!!

Soweit die Serpentinenroute einen wagemutigen Seitenblick zulässt, entdeckt man vielerorts großformatige Skulpturen und Kunstobjekte, die zum Teil wirklich sehr beeindruckend sind. Wie immer erschließt sich mir nicht jede der zweifellos tieferen Bedeutungen, allerdings weckte eine sandfarbene Skulptur inmitten eines touri-zentralen Kreisverkehrs dann doch eine – wie ich finde – naheliegende Assoziation zur umliegenden Klotzbaukulisse. Zumindest mir schien die Handbewegung(?) der kunstvollen Figur vertraut, und deshalb habe ich sie inmitten der architektonischen Schönheiten aufs Photo platziert. (Der Künstler möge mir gegebenenfalls verzeihen, sollte er etwas anderes im Sinn gehabt haben…)

 

Mein Englischlehrer – Gott hab ihn inzwischen selig – sagte immer augenzwinkernd: “I get one too much”, und auch wenn das grammatikalisch natürlich herrlicher Unsinn ist, so ist mir dieser Satz heute auf La Isla mehr als einmal über die Lippen gekommen: Ich krieg’ einen zu viel!

So gesehen hab’ ich jetzt ganz viele zu viel und eindeutig die Nase voll vom Serpentinenfahren mit immer-wieder-Bikerpopo- und Bettenburgengucken. Lieber rauf aufs eigene Handtuch: schön sonnig und vor allem eines: waagerecht!

Für alle, bei denen die Topographie das mal wieder nicht zulässt, gibt’s zum Glück Beschwerdeformulare (siehe Photo). Wenn schon nicht waagerecht, dann wenigstens schriftlich!

Olé!

5_2_Beschwerde Formulare

 

 

 

 

 

 

 

© Karin Buchholz, April 2016