Sie wissen schon… Chuzpe!

Sie wissen schon…

Chuzpe! Das ist dieses wunder­volle, altmodische Wort, das sich spontan nach einer akuten Halsentzündung anhört, wenngleich es bisweilen mehr den Klang eines herzhaften, wenn auch halsbrecherisch ausgeführten Riesen-Niesers hat.

Und dabei beschreibt es beileibe nichts Ana­tomisches, sondern eher etwas Charakterliches, nämlich den nassforschen Wagemut und die pro­funde Selbst­verständlichkeit, mit der jemand etwas tut, selbst und ganz besonders in Situatio­nen, in denen die meisten von uns ebendies ge­rade NICHT getan hätten. Aber etwas, das man mit Chuzpe tut, erstickt schlichtweg jeden Wider­spruch. Niemand traut sich, so jeman­den zu stoppen, stattdessen ist man vom brachialen Handeln derart überfahren und per­plex, dass man platterdings gar nicht glauben kann, dass all das gerade eben wirklich und wahr­haftig passiert ist. Ebenso kopfschüttelnd wie bewundernd denkt man: Boah, der traut sich was!

Genau dies nutzen ja beispielsweise Einbrecher aus, die im hellen Tageslicht und auf offener Straße den Möbelwagen bepacken, geschäftig hin- und herlaufen und sich dabei auf gar keinen Fall zwei­felnd oder gar schlechtgewissendlich umsehen.

Tür auf – einpacken – aufladen – weg.

Chuzpe eben!

 

Ein ebenso schönes wie beeindruckendes Beispiel dieses unbremsbaren Selbstbewusstseins war eine Begebenheit, die sich vor einigen Jahren direkt vor den Augen von circa 40 Gästen eines Berliner Biergartens abspielte:

 

Direkt an der Straße gelegen, befinden sich vor dem Lokal mehrere Parkplätze. Einer ist frei. Noch.

Ein schicker Jaguar inklusive distinguiertem, graumelierten Fahrer biegt um die Ecke, setzt den Blinker und will rückwärts einschwenken. In genau diesem Moment rauscht eine knallrote Ente ältlichen Baujahres mit einem knackigen Studen­tentyp am Steuer um dieselbe Ecke, schlägt ein und flitzt in die Parklücke, noch bevor der Jaguar-Mann auch nur einen zweiten Blick über die Schulter riskieren kann.

Student fettgrinsend raus aus der Ente. Darauf surrt der Jaguar-Mann das Seitenfenster runter und berlinert: „Na watt is dett denn? Dett war MEIN Parkplatz, ja?!“

Der Student grinst noch breiter und ruft: „Tja Opa, jung und schnell musste sein!“ und denkt, die Sache ist damit erledigt.

Von wegen.

 

Ohne auch nur eine einzige Sekunde Überlegungszeit knackt der Jaguar mit dem Getriebe, der Motor heult kurz auf und die Raubkatze rauscht, rückwärts und ungebremst, volle Lotte in die Ente, die daraufhin einen allerletzten Endzeit-Seufzer tut. Das fassungslose Gesicht des Studenten kommentiert der Grauschläfige dann lässig mit den Worten: „Tja Junge, alt und reich musste sein!“

Nachdem er dem noch immer sprachlosen Jungen seine Visitenkarte vor die reglosen Füße ge­schnippt hat, braust er davon und hinterlässt uns alle in einer Mischung aus ungläubigem Staunen und insgeheimer Bewunderung.

Chuzpe!

 

(c) kb