Rough Times # 3 : Trainerstunde

Fühlst Du Dich schlecht und spielst auch so,
dann wende Dich an Deinen Pro!

 

So oder ähnlich beginnt es. Und da steht er nun wieder vor mir: der Gottvater des Clubgolferlebens, der Wissende unter den Unwissenden, der Sehende unter den Blinden. Mit verschränkten Armen steht er da, die Beine leicht ausgestellt, abwartend, taxierend, beobachtend.

Sie kennen das: da will nicht eine einzige Kugel vernünftig fliegen, wenn einem da einer so grimmig zuschaut. Himmifixnochamal! Vorhin, als er noch im Clubhaus lässig seinen Latte macchiato schlürfte und halbcharmant mit den Mädels vom Pro Shop plauderte, flogen die Dinger wie am Schnürchen. Und jetzt geb’ ich hier den Oberdeppen.

Hin und wieder zuckt ein wohlwollend-maliziöses Lächeln um seine Mundwinkel, das mich nur noch tiefer in den samtweichen Boden der Driving Range versinken lässt. Herrgott: ich spiele seit sechzehn Jahren Golf! Ich habe super Turniere gespielt. Ich kann das. Eigentlich. Ich wollte nur kurz ein paar Ratschläge – halbe Stunde oder so – dann käme ich schon wieder klar. Und jetzt: jetzt bin ich gefangen in einem Flashback meiner allerersten Trainerstunde!

Nach fünfunddreißig Minuten ist mein Selbstwertgefühl im Keller, mein Körper hat selbst die irrwitzigsten Verrenkungen hinter sich, mein Kopf schwirrt, ich bin schweißgebadet und kann außer “HerrgottHergottHerrgott!” nichts anderes mehr denken.

Und nun geschieht das eigentliche Wunder: Dem Pro bleiben noch genau zehn Minuten bezahlter Zeit, das alles wieder ins Lot zu bringen – und er schafft es. Denn genau in diesem Moment sagt er das erste Mal: “Gut gemacht. Genau so!” oder “Sehr schön.” oder “Jaaa!” Und schon ist sie wieder neu entflammt: die Mär’ vom schönen Spiel, den herausragenden Ergebnissen, dem vielleicht-eines-Tages-unter-Par-Spielen. All den Träumen, denen wir gemeinschaftlich seit unserem allerersten guten Schlag hinterherspielen…

Wie machen die das nur? Jedes Jahr wieder erklären sie uns, was wir eigentlich schon wissen, mit wiedergekäuten Weisheiten, die schon in all den Jahren zuvor stimmten und – ja – jedes Jahr wieder sind sie absolut ihr Geld wert. Mist!

Für nächsten Dienstag hab’ ich mich nochmal eingebucht. Halbe Stunde oder so – dann komm ich schon wieder klar!

 

 

© Karin Buchholz 2016

veröffentlicht im Magazin GOLF IN HAMBURG des Hamburger Golfverbandes e.V.
Heft 1/2017