Rough Times # 10 – Eigentlich…

Eigentlich …

wollte ich ja heute Golfspielen. Aber die Provence macht es mir wirklich nicht leicht, meine Pläne beizubehalten: So wollte ich doch auch weniger essen (Stichwort: leichte, südländische Küche), nur hin und wieder mal ein Glas Wein trinken und so oft es geht raus in die Golflandschaft. Eh bien, das waren alles schöne Pläne. Leider – und das hätte ich durchaus aus früheren Erfahrungen wissen können – völlig realitätsfremd, spätestens am dritten Tag perdu, aber immerhin erstmal denkbar.

Nun hat mich der fast pausenlos durchs Tal des Lubéron reisende Mistralgleich von Beginn an in Atem und auf der Suche nach fortgewehten Habseligkeiten gehalten. Ebenso wie die wahrhaft exzellente Küche meiner neuen Herberge, die mich quasi seit meinem Eintreffen an diesen wunderbaren Ort gefesselt hielt. Zwischen einem süffigen Roten der hauseigenen Domaine, handgefertigter foie grasund Patisserien zum Niederknien bleibt da auch kaum richtig Zeit zum Golfen. Schließlich möchte man ja nicht eine einzige dieser Mahlzeiten auf leichtsinnige Weise verpassen…!

Eh voilá:Ganz ehrlich? Ich habe in den letzten Tagen nichts vermisst – trotz all der hochfliegenden Pläne zuvor.

Angelegentlich blättere ich mich immer mal wieder durch die Broschürensammlung der Golfanlagen im näheren und weiteren Umkreis. Allesamt bestechen sie durch gepflegt-ondulierte, panoramaverwöhnte Lagen, Greenfees in allen Preisklassen und diesem Kitzeln in den Golfer-Genen, das nur bedeuten kann: Der Frühling kommt! Die Fairways rufen! Winterschlaf adieu!

Aber dann – dieser Moment, in dem ich mich tatsächlich mal aufraffen müsste, den Golfbag erst zum Auto, dann zum Clubhaus zu tragen… Ach wissen Sie: einen café au laittrinke ich noch in Ruhe, bevor’s losgeht.

Die junge Dame an der Rezeption meiner Bastidelächelt. Sie weiß genau, wie das hier ist. Sie hat bestimmt schon hunderte meiner Spezies zuvor gesehen, die ihre Bags bedeutungsschwer in der kleinen Kammer neben ihrem Schreibtisch untergestellt haben – griffbereit, für den Fall, dass man es tatsächlich schafft, einmal loszufahren. Aber sie lächelt mit dem Wissen eines alten Hasen, wenn ich auch heute wiederum nicht den Inhalt des Kämmerchens begehre. Sie lächelt, legt ohne jeden Anflug von Kritik den Kopf ein wenig zur Seite und sagt: „Bonne journée!“ – haben Sie einen schönen Tag. Und sie weiß genau, was das bedeutet: Ich drehe eine kleine Runde durch eines der pittoresken Nachbardörflein, die sich so abenteuerlich an die Hänge des Lubéron schmiegen. Ich laufe – statt auf einem frisch gemähten Fairway – auf kibbeligem Kopfsteinpflaster durch alte Gassen, trinke hier einen café, dort einen Pernod, esse wohlmöglich Lavendeleis oder eine Quicheauf einem der schönen Marktplätze und lasse das Leben wie das Wasser aus dem alten Marktbrunnen dahinplätschern. Und schon beim nächsten Blick auf die Uhr ist es schon zu spät, noch nach Avignon oder Maurières oder ins Vaucluse zu fahren. Oh là là, doch schon so spät!

Ich glaube, ein tatsächlicher Saisonbeginn gelingt mirnur im heimischen Brömmelheide. Da kramen sich gerade alle erst aus dem Winterschlaf ans Licht, rappeln ungelenk mit dem eingestaubten Golfgeschirr herum, und wir alle haben alle nur möglichen Ausreden wenn’s drum geht, warum wir jetzt erstanfangen zu spielen. (Im Gegensatz zu den Frühstartern, die schon eine Golfreise mit ihrem Pro nach Andalusien hinter sich haben und wenigstens schon mal wissen, was der Unterschied zwischen Schläger und Ball ist; oder auch im tiefen Kontrast zu den beinharten Ganzjahresgolfern, die sich auch nicht scheuen, einem das bei jeder sich bietenden Gelegenheit aufs Halfway-Butterbrot zu schmieren.)

Ich bin da ja eher französisch ausgerichtet: laissez-faire! Lasst sie mal alle machen. Chaqu’un à son goût– jeder wie er mag. Ach, und einen café au laithätte ich dann gern noch, bevor in einer Stunde die nächste foie gras serviert wird.

 

© Karin Buchholz 2018

 

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