Provence Today 6 – Küchenglück und Kellnerlogik

7_2_FischWer im Deutschunterricht zu gegebener Zeit aufgepasst hat, der kennt den Unterschied zwischen “schwer” und “schwierig” – auch wenn’s immer und überall wieder gern falsch benutzt wird. Hier in der Provence gibt es eine ebenso einfache wie lebensnahe Eselsbrücke: Es ist unglaublich SCHWIERIG, sich den kulinarischen Genüssen zu entziehen und in der Folge wird man selbst immer SCHWERER. So simpel kann Grammatik im Selbstversuch sein…

Meine Güte, schmeckt hier alles gut! Ich fühle mich wie nach Schlaraffia gebeamt und schlemme mich durch wahrhaft köstliche Küche – und da muss es keine Kreation à la “Fünf-Sterne-chi chi–an-sowieso-Sauce” sein. Es ist die Kunst, ein tolles Rosmarinbrot zu backen, das nicht nur nach Mehl und Weizen schmeckt; das Verständnis für frische Zutaten im richtigen Verhältnis – ohne das verschwenderische Zuviel, um ordentlich auf die Küchenpauke zu hauen; das Komponieren verschiedenster Geschmackserlebnisse von Kräutern, Ölen und Wein; und, und, und…

Ich könnte Stunden damit zubringen, all die teils ganz simplen Köstlichkeiten aufzuzählen, die ich hier (wieder) entdeckt und neu verinnerlicht habe. Warum geht mir so etwas im Alltag bloß so schnell verloren? Ganz ehrlich: für viele meiner eigenen Alltagsrezepte brauche ich genauso viel Zeit und Aufwand (wenn nicht sogar mehr) und ich erzeuge viel weniger intensive Geschmackserlebnisse.

Fazit? Speiseplanänderung. Ab sofort!

 

Woran ich mich allerdings nie gewöhnen werde, ist schlecht abgeschmeckter Service. In vielen Restaurants verläuft bereits die Platzvergabe irgendwo zwischen hochnäsig, gelangweilt und kurios.

Beispiel Isle-sur-la-Sorgue: das Touristen-Antiquitäten-Trödel-Mekka der Provence und als solches bei Märkten von kauf- und genusswilligen Menschen bevölkert bis zum Abwinken. Noch früh zur Mittagszeit – die Hälfte der Tische ist noch frei – kommen wir zu zweit in eine reizende brasserie. Direkt am pittoresken Flusslauf der Sorgue gelegen lockt ausnahmsweise mal gemütliches Gestühl zur Pause – jenseits der zwar fotogenen, aber nicht dauersitztauglichen Eisen-Gartenstühle aus Großmutters Zeiten. Alles Vierertische – wie gesagt: die Hälfte noch frei. Als wir uns setzen, stürmt ein Kellner auf uns zu und näselt: “Ces places sont SEULEMENT pour QUATRE personnes!” (Bei SEULEMENT wippt er nachdrücklich auf den Fußspitzen. Bei QUATRE nochmal. Fehlt nur noch ein erhobener Zeigefinger, und der Oberlehrer ist komplett.)

Tja, wenn er lieber auf vier Gäste warten möchte, die vielleicht erst in einer Stunde kommen und dafür auf zwei verzichtet, die ihm sicheren Sofortumsatz und einen frei werdenden Tisch in vielleicht eineinhalb Stunden bescheren würden… bitte sehr! Man soll niemanden – auch keinen Kellner – zu seinem Glück zwingen.

 

Beispiel St.Rémy-en-Provence: Ein nettes Plätzchen – café & salon de thé steht obendrüber. Im Angebot bildschöne Küchlein, leckere Baguettes und auch kleine Salate als Mittagstisch. Sieben Tische. Drei OHNE Tischdecke – dafür MIT Gästen. Vier MIT Tischdecke – davon einer besetzt (macht im Kopf: drei noch frei).

Wir bestellen am Tresen Kaffee und Törtchen und steuern einen der freien Tische an. “Non-non-non!” näselt es hinter uns und jetzt kommt er, der Zeigefinger, der vor meiner Nase hin- und herwedelt. “Pas pour café! No coffee! Only for Menu – SEULEMENT pour le ménu!” Wildes Gestikulieren zupft an der Tischdecke und trommelt mit den Finger auf die offensichtliche Dekoration mit Servietten, Tischdecke & Co.

Das heißt, wir gehen jetzt wieder weil noch drei Tische frei sind und man dort nur Salat essen darf??? Oder essen wir jetzt unsere Törtchen im Stehen??? Auch hier verzichtet man auf das offensichtliche Geschäft vor der kleinen spitzen Nase mit dem Risiko, dass heute niemand mehr zum Mittagssalat reinschneit. Oh là là – das muss französische Logik sein, die nicht in meinem Wörterbuch zu finden ist. Aber bitte…

Manche Lokale wollen keine “nur Getränke-Besteller”, selbst auf die Gefahr hin, dass diese sich wohlmöglich wohlfühlen und nach dem Getränk noch eine Nachbestellung, oder (man stelle sich das vor!) gar eine ESSENSbestellung loswerden könnten. Non-non-non! – leere Stühle sind viel attraktiver als volle und machen doch auch viel weniger Arbeit… Ich kann das schon verstehen.

 

Schade, dass man mit solchen Karikaturen des Gastronomiegeschäfts dann hin und wieder so unsanft aus der Postkartenidylle herauskatapultiert wird – ist aber nicht typisch französisch. Funktioniert auch in USA, auf norddeutschen oder spanischen Schicki-Inseln und von Isar bis Elbe…

Also trotzdem: Vive la France!

 

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