Provence Today 4 – Rauchzeichen in Schilda

5_1_nach StRémyDas ganze Haus riecht nach Rauch. Nachdem ich erst einmal festgestellt habe, dass glücklicherweise nicht mein eigenes Dach hellauf in Flammen steht, sehe ich deutlich entspannter den Rauchschwaden aus Nachbars Garten zu, wie sie sich über das hügelige Land verteilen. Zwei rußgeschwärzte Gestalten lehnen dabei zigarillorauchend auf ihren Forken und qualmen gelangweilt mit einem großen Ascheberg um die Wette. Müllentsorgung à la provençale. Gestern noch kaputte Möbel garniert mit Gartenabfällen und anderem undefinierbarem Kram – jetzt sechs Kilo Holzkohle. Voilà! So geht’s auch. Hübsch auch der leichte Ascheregen, der beim Frühstück meine Terrasse überzieht… Aber ich will ja ohnehin los:

Ein Ausflug nach St.Rémy-en-Provence ist für mich ein absolutes Muss auf dem Reiseplan – ich habe dort nämlich vor vielen Jahren einen Laden voller Sonne entdeckt: Ein ganzes Geschäft voller Keramik in den herrlichsten Rot- und Goldtönen, alles handbemalt und einfach zauberhaft.

Und da sind sie wieder, meine drei Probleme: Handgepäck – Koffer – Übergewicht. Schade! Ich könnte den ganzen Laden leerkaufen – das merkt die freundliche Verkäuferin auch sofort als ich eintrete – mit mir die schräg stehende Spätsommersonne, die die Glasuren noch einmal mehr leuchten lässt. Ach, es ist herrlich, inmitten dieser Farben zu stehen, zu schauen, vorsichtig zu berühren…

Kurz mal rechnen: wenn ich das angebrochene Shampoo und die längst wegschmeißwürdigen Turnschuhe hierlasse, das ausgelesene Buch der verschrobenen Bibliothek meines Herrn Vermieters spende und die gestern gekaufte foie gras vorsichtshalber noch gleich vor Ort esse… Allez! Ça marche – das passt! Eine runde Auflaufform ist es diesmal, die auf diesem sehr plausiblen Rechenweg Zugang zu meinem Koffer findet, und ich kann mein coq au vin schon darin sehen… und wie das duftet…!

Das anschließende Schlendern in der Altstadt ist mehr denn je touristisch geprägt. Die alten, verwunschenen Läden der fromagers und chausseurs (also die kleinen Käsereien oder Schuhmacherläden) sind leider bis auf wenige Ausnahmen verschwunden und den üblichen südfranzösischen Tischdecken-, Seifen- und Schnickschnackbuden gewichen. Mein chocolatier ist allerdings noch da – zum Glück! Meine Hüften hätten auch protestiert, hätte ich von dort nicht etwas mitgenommen! Und dazu gleich noch Feigenkonfitüre mit Rosmarin. Einfach herrlich!

Auf einem kleinen, brunnenbeplätscherten Platz genieße ich noch einen café au lait und ein sündhaft großartiges Feigentörtchen und lasse das Leben eine Weile an mir vorüberziehen. Fast überall spricht es deutsch oder englisch, radebrecht sich durchs Französischwörterbuch und kauft die gängigen Mitbringsel. Dazwischen allerdings immer wieder Einheimische mit Baguette unterm Arm, Gauloise im Mundwinkel und jeder Menge Zeit für ein kurzes Salut hier oder einen kleinen Plausch da.

Lebensgefühl à la provençale zur Nachahmung bestens geeignet.

 

Trotz der Straßenausschilderung finde ich schließlich den Weg zurück. Es ist wirklich erstaunlich, wie viele Schilder hier herumstehen, die einem dennoch nicht sagen können, wo’s im Zweifelsfall langgeht. Da geht’s dann gern dreimal durch denselben Kreisverkehr, bis man sich – eher im Zufallsprinzip – für eine Ausfahrt entscheidet. Dies gerät umso hektischer, sitzen einem erst einmal wieder die Maurer, Elektriker oder Klempner der Umgebung mit Hungerschub und Minimalabstand im Nacken.

Ein Befragen des Französisch-Lexikons liefert in Sachen “Wo geht’s lang?” übrigens einen ersten Erklärungsansatz: Für eine Sprache, die so unglaublich viele Begriffe für oftmals ein- und dieselbe Sache hat, fällt auf, dass der Begriff “” für “wo” oder “wohin” höchst verwechslungsgefährdend wie das “ou” (also ohne das putzige Accent auf dem u) für “entweder” “oder” geschrieben wird. Gesprochen merkt den Unterschied dann überhaupt kein Schwein mehr – auch kein französisches – und man könnte auf den Gedanken verfallen, dass die Frage nach dem Wo oder Wohin hier gern entweder so oder so gehandhabt wird. Comme ci – comme ça, quasi. Das würde zumindest den absurd-komischen Schilderwald erklären.

Ein kleines Weingut hat sich derart geschickt weg-geschildert, dass ich es tatsächlich erst beim dritten Anlauf finden konnte. Sämtliche Wegweiser innerhalb von zwei Kilometern zeigen gekonnt in eine andere Richtung – vermutlich kaufen Verwirrte anschließend mehr Wein… das sollte man mal untersuchen.

Wie auch immer: Wein hab ich jetzt auch – der Abend à la terrasse kann kommen. Allez attaque!

und

Vive la France!