Música del Mar

3_Promenade_collageAch ja, heute mal einfach nichts tun. Urlaub. Ich überlasse es all den anderen, sich über Strandpromenade und Insel zu schieben und genieße vom Balkon aus den Blick übers Meer. Nicht zu warm, nicht zu kalt, genau richtig für einen entspannten Tag in Gesellschaft von Buch, Skizzenblock und Laptop. Obendrüber ein betörend blauer Himmel, neben mir die Wasserflasche in Reichweite, kein lärmendes Irgendwas… halt: was ist das bitte??!

Gerade hat sich unten auf der Promenade eine weißgekleidete Gestalt niedergelassen und setzt an – wie übrigens diverse seiner Kollegen auf den restlichen Promenadenkilometern in angemessenem Hörweiteabstand – seine Mitmenschen mit Musik zu erfreuen.

Na ja, DAS würde ich sagen, gelingt ihm nicht so ganz…

Sie tippen jetzt vielleicht auf sanfte Gitarrenklänge, die durch die Brandung rieseln oder gar das ätherische Murmeln einer Harfe? Okay: Bassgeige? Geige? Saxophon? Alles ganz kalt. Ganz kalt erwischt mich nämlich der weinerliche Sound einer singenden Säge! Ehrlich. Hatten Sie schon mal ‘ne singende Säge vorm Balkon? Ganz schön. Sehr zu empfehlen. Selten (zum Glück) und (man merkt’s) schwierig zu spielen. Nichts gegen die Meister dieses diffizilen Fachs, aber ich wusste nicht, dass der Weg zu Meisterschaft und Ruhm ausgerechnet an meinem Hotelzimmer vorbeiführt…

Jetzt weiß ich endlich, wie sich Verkäufer/innen nach durchaus handelsüblichen vier Stunden fußgängerzonaler Panflöte im Vaya con Dios non-stop-Modus fühlen! Das Repertoire “meines” Musikanten beschränkt sich nämlich derzeit auch nur auf einen Titel – eine schaurig-schön nervenzersägende Version des Ave Maria. Heilige Säge – das hält selbst ein guter Christ nur in beschränktem Maße aus!

Wirklich schade: Benny Goodman und die Beatles spielen weiter links…

Dort übrigens gibt’s auch noch was anderes zu sehen: stille Gesellen (das ist vergleichsweise ja schon mal ein Hauptgewinn!), die sich als unbewegte Mimen entlang der Avenida platziert haben. Von Kopf bis Fuß wahlweise gold, silber, rot oder weiß lackiert posieren sie unbeweglich als Captain Sparrow oder Hook, Mary Poppins oder Chingachgook und liegen hier offenbar gerade ganz groß im Trend der Touristenbespaßung (für Kinder allemal ein Riesenspaß mit klasse Urlaubsfotos!). Die Akteure lassen sich dafür stundenlang von der Sonne garen, von Möwen besch…, vom Publikum bekichern und fotografieren, und hoffen dabei auf ein paar Cents im bereitgestellten Teller. Und es ist wirklich erstaunlich, wie viele Münzen ihren Weg dahinein finden. Wäre tatsächlich nochmal ‘ne Idee für den vierten Bildungsweg – muss ich mir für später merken.

Geld verdienen mit Touristen geht ja bekanntermaßen immer. In den Boutiquen genau so wie draußen vor der Tür, mit fatal überteuerter Kulinarik, Rolex-Plagiaten, stummer Pose oder singender Säge… es verkauft sich am Ende alles. Selbst die unausweichlichen fast-food-Klebrigkeiten der Touristenbodegas, die von ebenso klebrigen Plastikspeisekartenbildern bestellt und ans Campinggestühl serviert werden.

Ich kratze jetzt aber auch mal mein letztes Kleingeld zusammen und spendiere dem Sägewerk da unten einen Kaffee – solange er trinkt, schweigt hoffentlich die Säge.

Vielleicht sollte ich besser gleich in eine ganze Kanne investieren?

Olé!
© Karin Buchholz, April 2016