strandgut_1_-_cover_front_-_small1

Buch
Verlag: BoD, Norderstedt
ISBN 978-3-8391-5625-4
Seiten: 140 – Hardcover
Preis: 16,75 EUR

Hörbuch
Autorenlesung (Studio)
ISBN 978-3-00-030591-7
2 CDs, ca. 150 min.
Preis: 12,75 EUR

eBook
ISBN 978-3-8482-8590-7
Preis: 12,99 EUR
erhältlich im regulären Buchhandel und online bei z.B. Amazon.de


hier direkt bestellen

“Strandgut – Geschichten mit Meerblick” ist eine stimmungsvolle Sammlung unterschiedlichster Geschichten über Menschen und ihre Meere. Es sind stille Erzählungen, die nachdenklich machen – voller Tiefgang und bisweilen auch Melancholie, voller Herz, besonderer Charaktere und Nachhaltigkeit, die den Leser schnell in ihren Bann ziehen und entführen … ans Meer.

Ich bin ein echter Meer-Mensch – ich liebe das unentwegte Rauschen der Wellen, das zarte Knistern der feinen Steinchen, wenn sich das Wasser wieder zurückzieht, das zänkische Geschrei der Möwen und den Duft nach Seetang und Salz. Und natürlich liebe ich das Strandgut, das das Meer mit jeder Flut anspült…

Und ebenso wie beim Sammeln von Strandgut finden sich auch in diesem Buch viele kleine, ganz unterschiedliche, scheinbar nicht zusammengehörige Kostbarkeiten, die in ihrer Verschiedenartigkeit eine wunderbare Sammlung und am Ende ein großes Ganzes ergeben – so facettenreich wie das Meer selbst. Die Geschichten führen an Strände und Küsten, in kleine, lebendige Fischerdörfer oder an stille Orte, in denen die Grenzen zwischen Meer und Himmel, zwischen Bewusstsein, Wunsch, Erinnerung und Traum verschwimmen.

Der Leuchtturmwärter

Für die Leute im Dorf war er der komische Kauz, Jean der Leuchtturmwärter, der sein Einsiedlerleben außerhalb der Dorfgrenzen, draußen in dem alten Leuchtturm lebte, dessen Mauern im Laufe der Jahre durchlässig und dessen Balken und Türen morsch geworden waren. Jean, der Leuchtturmwärter mit dem komischen französischen Namen, der für diese Gegend so untypisch war. Hier hießen die Männer Paddy oder Harry, Ian oder Scott, hatten feuerrotes Haar und hatten sich schon früher über ihn lustig gemacht. Damals, als sie hierher zogen. Seine Mutter war Französin, eine zarte, kleine Frau, die nicht für das harte Leben an dieser rauen Küste geschaffen war. Sie hatte ihm seinen Namen gegeben. Sein Vater, Patrick, war waschechter Ire und handfester Leuchtturmwärter, so wie schon sein Vater vor ihm. Ein vierschrötiger, grobschlächtiger Mann, der dem Wind und den Gezeiten zu trotzen wusste. Und dennoch liebte ihn Claire. So sehr, dass sie dieses schwere Leben Jahr um Jahr mit ihm teilte. Was hatte sie nur miteinander verbunden, den Leuchtturmwärter und seine zierliche französische Frau, die ihm hierher gefolgt und ihr Leben lang geblieben war?

Auch seine Eltern hatten schon ein zurückgezogenes Leben außerhalb der Dorfgemeinschaft geführt. Nur sonntags zum Kirchgang gingen sie alle drei – Patrick, Claire und der kleine Jean – in die kleine Kapelle des Dorfes. Und Jean sah immer wieder mit Bewunderung und Erstaunen zugleich, mit welcher Inbrunst seine Mutter dem Herrgott für das beschwerliche Leben dankte, das er ihnen geschenkt hatte.

Sie war wohl eine glückliche Frau gewesen, sagte sich Jean und schüttelte wie immer bei diesem Gedanken den Kopf. Während er seine Teetasse ausspülte und kopfüber auf den Spülbeckenrand stellte, blickte er durch das schmale Küchenfenster hinaus. Stürmisch war es heute, das Meer aufgepeitscht vom böigen Wind, Schaumkronen tanzten wild auf den aufgewühlten Wellen.
Er schloss den Kragen seines Troyer-Pullovers, zog seine Regenjacke an, schnürte die Kapuze fest um seinen Kopf und stapfte zur Tür hinaus. Sofort erfasste ihn der Sturmwind und trieb ihn vor sich her, so dass er schneller ging, als er eigentlich wollte. Er erreichte die Tür zum Turm, altes verwittertes, vielfach übertünchtes Holz, durch dessen Spalten inzwischen Wind und Regen ins Innere drangen, so dass sich hinter der Tür eine Pfütze bildete.
Jean betrat den dunklen Turm, dessen schmales Treppenhaus sich zu seiner Rechten nach oben wand. Er schüttelte den Regen von seiner Jacke und begann, die Treppe emporzusteigen. Hundertachtundvierzig Stufen – und wie oft schon war er sie hinaufgestiegen in all den Jahren. Als Kind schon hatte er seinen Vater begleitet, wenn er zum Leuchtfeuer im Turm hinaufgestiegen war, hatte ihm geholfen, die Starklichtlampe und den großen Glaskörper zu reinigen, hatte die Scheiben der Lichtkanzel geputzt und dabei dem Pfeifen und Sausen des Windes gelauscht, der unablässig um den Turm blies.
Wie oft hatte Jean hier oben gestanden und stundenlang aufs Meer hinausgeschaut. Und es war ihm nie langweilig geworden. Hier hatte er seinen Vater alles gefragt, was in seinem Kopf vorging, und Patrick hatte seinem Sohn die Welt erklärt, wie er sie sah. Jean hatte nie eine Schule gesehen, dazu waren sie zu arm gewesen. Und dennoch hatte er von Vater und Mutter alles gelernt, was nötig war.

Nur die Liebe hatte ihm nie jemand erklärt. Nur einmal hatte er sich verliebt, Jean der Einsiedler. So sehr verliebt, dass es wehtat in der Brust und im ganzen Körper. Elsa war die Tochter eines Fischers aus dem Dorf. Er traf sie, als er – wie so oft – zwischen den Klippen vor dem Leuchtturm umher stieg. Sie war so schön, so unendlich schön, dass Jeans Brust sich ganz fest zusammenpresste und sein Herz laut zu pochen begann.
Sie saß mit einem Buch oben auf der höchsten Klippe im Gras und bemerkte ihn nicht. Oft kam sie hierher, und Jean beobachtete sie ungesehen. Eines Tages aber entdeckte sie ihn, wie er dort zwischen den Felsen hockte und sie ansah, als sei sie ein Wesen aus einer anderen Welt. Für einen Moment erschrak Jean so sehr, dass alle Farbe aus seinem Gesicht wich. Unfähig, sich zu rühren, stand er mit pochendem Herzen da und erwartete, dass sie weglaufen oder ihn hänseln würde. Und er wusste nicht, was schlimmer gewesen wäre. Doch stattdessen lächelte sie und rief gegen den Wind, der ihr Haar wild um den Kopf tanzen ließ: „Hallo Jean!“ Er war unfähig zu reagieren und starrte sie stattdessen nur weiter an. Sie lächelte noch einmal und wandte sich dann wieder ihrem Buch zu. Jean löste sich aus seiner Erstarrung und machte sich schleunigst davon.

Noch heute verschlug es ihm den Atem, wenn er an diese Begegnung dachte. Sie war so wunderschön. Alles zog ihn zu ihr hin. Sie hatte ihn nicht verspottet, wie es die anderen Kinder aus dem Dorf taten, wenn sie ihm begegneten. Deshalb hielt er sich von ihnen fern. Aber mit Elsa war es anders, das spürte er vom ersten Moment.
Elsa kam auch weiterhin zur Klippe und Jean beobachtete sie auch weiterhin. Nie kam es zu einem Gespräch zwischen ihnen – dafür war Jean viel zu schüchtern. Nur ein paar Mal setzte er sich in einiger Entfernung neben sie und sie schwiegen einträchtig. Doch Elsa lächelte immer, wenn er in ihrer Nähe war. Das war ein gutes Zeichen. Und Jean liebte sie. Er liebte sie mit jedem Mal mehr, mit aller Inbrunst seines jungen Herzens, so intensiv, so ganz und gar, dass sein ganzer Körper schmerzte beim Gedanken an sie.

Doch dann kam ein sonniger Julitag, Jean war wieder auf dem Weg zur Klippe, als er Stimmen hörte, die der Wind zu ihm herüber trug. Da stand Elsa, und Jeans Herz begann schneller zu schlagen. Doch sie war diesmal nicht allein… Ein Junge, den Jean noch nie zuvor gesehen hatte, war bei ihr, und sie lachten und Elsa tänzelte ein paar Schritte vor ihm her, während ihr Kleid und ihre Haare vom Wind umhergewirbelt wurden. Der Junge rief etwas, und Elsa lachte, sie lachte das wunderbarste, glockenhellste Lachen, das Jean je gehört hatte. Und auch der Junge lachte, lief zu Elsa und fasste ihre Hand. Sie liefen Hand in Hand den Abhang zum Dorf hinunter und Jean war es, als risse ihm jemand das Herz bei lebendigem Leibe aus der Brust. Voller Schmerz krümmte er sich zwischen die Felsen und blieb dort zusammengekauert viele Stunden. Doch der Schmerz wollte nicht aufhören.
Elsa gehörte zu ihm. Jean wusste das. Mit jeder Faser seines Herzens wusste er, dass sie füreinander bestimmt waren. Und er haßte diesen fremden Jungen, hasste ihn, weil er Elsa zum Lachen brachte, weil er sie so schön machte, wenn sie mit ihm lachte, noch schöner… Jeans Innerstes bäumte sich gegen die Ungerechtigkeit und Boshaftigkeit des Schicksals auf. Er konnte – er wollte nicht akzeptieren, dass es in Elsas Leben jemand anderen gab. Und der Schmerz durchschnitt nicht nur sein Herz und seinen Körper. Auch seinen Verstand teilte es entzwei – zwei Hälften, die sich zeitlebens nicht mehr zusammenfügen sollten.

Jean erreichte nun die Lichtkanzel und blieb eine Weile stehen, um seinen Atem zu beruhigen. Heute, mit Ende Fünfzig, pochte sein Herz immer heftig nach dem Aufstieg. Langsam begann er die Scheiben mit dem alten Tuch zu putzen, das er aus seiner Jackentasche gezogen hatte. Er sah aufs Meer hinaus, auf die unermüdliche Brandung, die nicht aufhörte, sich krachend auf die Felsen zu werfen, tagein, tagaus, unabänderlich und mit stetiger Gewissheit.

Er hielt in seiner Bewegung inne und blickte auf die Felsen. Und wieder sah er, wie sie sich rot färbten, blutrot wie damals. Getränkt vom Blut eines Jungen, der aus der Lichtkanzel hinuntergestürzt war. Blutrot, wie Elsas Kleid, als sie sich über den leblosen Körper beugte.
Elsa war fort gegangen.
Geblieben ist Jeans Liebe.
Und seine Schuld.

Leser- und Hörerstimmen:

 

[…] “Das blaue Kleid” und “Der Leuchtturmwärter”: Großartig, sehr, sehr schön. […] Die Geschichten zwingen ja zum intensiven Zuhören. […] Von der Autorin selbst gesprochen – auch das beherrschen Sie. Ich bin sehr angetan. “Das blaue Kleid” ging mir sehr nah. Diese Geschichte entwickelt sich ja sehr langsam, sehr poetisch und wird dann ganz plötzlich real. […] Sie beschreiben Meer & Strand präzise und dennoch liebevoll poetisch. Sie versetzen den Leser/Hörer vom Bürostuhl direkt in den Sand! 

Leser Wolfgang H. per mail

 

Karin Buchholz’ Geschichten verbinden die tiefen Fragen des Lebens mit der Tiefe des Meeres. Am Schnittpunkt der beiden Elemente Land und Wasser angesiedelt, erzählen sie von Umsturzpunkten, den Einschnitten und den Wendepunkten in unser aller menschlicher Lebensgeschichte. Die Themen sind jedem Hörer vertraut – deshalb gehen die Texte uns auch so nahe. Dies funktioniert durch die pointierte aber schnörkellose – weil norddeutsch-trockene – Prosa der Autorin sowohl in Schrift als auch in Ton.
CD kaufen, einlegen und das Meer und die Stimme der Autorin auf sich wirken lassen: es lohnt sich!

Stefan Langfeld | amazon Kundenrezension

 

Ich kann das Buch Strandgut 1, aber auch den zweiten Band, nur jedem ans Herz legen, der gerne vom Meeresrauschen, dem Kreischen der Möwen und von vielen kleinen Muscheln träumt. Die Geschichten entführen den Leser in andere Welten, die aber dank der warmen, genau beobachteten Beschreibungen jedem bekannt vor kommen. Man schließt die Augen und sieht sie vor sich, die rundgeschliffenen Kieselsteine und hört die Brandung. Als ob man selber mit der Autorin an diesem Ort stünde, von dem gerade geschrieben wird. Manche Geschichten sind humorvoll, andere tiefgründig und manche etwas traurig, nie aber langweilig. Mit wunderbaren Worten werden Orte, Menschen und die Natur beschrieben. Ein Buch zum zurücklehnen und genießen!

Meike | amazon Kundenrezension